image

competence center finanz- und bankmanagement

Herausgeber: Prof. Dr. Arnd Wiedemann

Fabian Leonhardt

Einsatz von Empfehlungssystemen zur Kundenansprache in Banken

Eine konzeptionelle Untersuchung anhand des Retailgeschäfts traditioneller Universalbanken

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-95647-101-8

competence center finanz- und bankmanagement Herausgeber: Prof. Dr. Arnd Wiedemann

Band 18:

Fabian Leonhardt: Einsatz von Empfehlungssystemen zur Kundenansprache in Banken – Eine konzeptionelle Untersuchung anhand des Retailgeschäfts traditioneller Universalbanken

Besuchen Sie uns im Internet:

http://www.frankfurt-school-verlag.de

1. Auflage 2017

© 2017 Frankfurt School Verlag GmbH, Sonnemannstraße 9–11, 60314 Frankfurt am Main

Umschlaggestaltung: Maikranz Design & Dialog, Darmstadt

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN(Print)978-3-95647-101-8
ISBN(pdf)978-3-95647-102-5
ISBN(EPUB)978-3-95647-103-2
ISBN(Mobi)978-3-95647-104-9

Geleitwort

Traditionelle Universalbanken müssen in Deutschland aktuell gleich mehrere Herausforderungen meistern, die ihr Geschäftsmodell bedrohen. Zu nennen sind die nun schon länger andauernde Niedrig- resp. Negativzinsphase, die aus dem stationären Filialnetz resultierenden hohen Fixkosten und die Digitalisierung, die auch vor der Finanzdienstleistungsbranche nicht Halt macht. Letztere steht im Mittelpunkt der vorliegenden Dissertation.

Den Ausgangspunkt der Arbeit bildet der klassische Zielkonflikt im Segment privater Retailkunden: dem Wunsch der Kunden nach personalisierter Ansprache und in der Folge individuell auf sie zugeschnittener Leistungen stehen nur geringe Ertragspotenziale gegenüber, die einer übermäßigen Individualisierung schnell Grenzen setzen. In der Vergangenheit wurde versucht, diesen Konflikt durch kosteneffiziente Standardisierung zu lösen, allerdings nur mit überschaubarem Erfolg.

Die Fortentwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie und die Erfahrungen in anderen Branchen scheinen jetzt für die Bankbranche eine Auflösung des aufgezeigten Zielkonflikts möglich zu machen. Systeme, die automatisiert Empfehlungen auf Basis künstlicher Intelligenz erzeugen und diese anschließend an die Kunden kommunizieren, versprechen eine kosteneffiziente Individualisierung von Bankdienstleistungen und in der Folge auch eine Ertragssteigerung durch den Verkauf zusätzlicher Produkte und Dienstleistungen. Empfehlungssysteme sind in der Internetökonomie schon seit längerem im Einsatz. Für die Finanzdienstleistungsindustrie wurde ihr Einsatz zur proaktiven Kundenansprache aber bisher wissenschaftlich noch nicht ausführlich beleuchtet. Diese Forschungslücke schließt die vorliegende Dissertation.

In Form einer konzeptionellen Untersuchung beleuchtet Leonhardt den Einsatz von Empfehlungssystemen zur Kundenansprache in Banken. Ausgehend von den Rahmenbedingungen des Einsatzes von Empfehlungssystemen, die insbesondere auch den Datenschutz im Retailgeschäft umfassen, präsentiert Leonhardt eine vertiefte Analyse der möglichen Folgen von Empfehlungssystemen für den operativen Vertriebsprozess und diskutiert detailliert die Ausgestaltung eines Empfehlungssystems zur proaktiven Kundenansprache. Die Arbeit bietet dem Leser ein theoretisch fundiertes Konzept und zahlreiche Hinweise für die konkrete Ausgestaltung. Ich wünsche ihr eine weite Verbreitung in Theorie und Praxis.

Siegen, im April 2017

Arnd Wiedemann

Vorwort

Dass Banken und insbesondere traditionelle Universalbanken im Lichte der Digitalisierung und des aufstrebenden digitalen Wettbewerbs handeln müssen, um ihre Marktpositionen halten zu können, ist unumstritten. Fraglich ist hingegen, was Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Großbanken konkret unternehmen können, um ihre Position am Markt zu verteidigen und unter Berücksichtigung der sonstigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen rentabel zu sein.

Bestehende Wettbewerbsvorteile kombiniert mit den Potenzialen der Digitalisierung und Personalisierung, bieten traditionellen Universalbanken Möglichkeiten, um proaktiv Lösungen zu finden. Diese Dissertation untersucht daher, wie Großbanken, Sparkasse und Genossenschaftsbanken die erfolgreichen Empfehlungssysteme der Internetökonomie effizient und effektiv zur proaktiven Kundenansprache einsetzen können.

Ziel dieser Untersuchung ist es darzustellen, dass durch eine digitale und automatisierte Personalisierung mittels Empfehlungssystemen die Effektivität proaktiver Kundenansprachen unter Berücksichtigung der Effizienz gesteigert und damit ebenfalls die Cross Selling-Quote im Kundenbestand gesteigert werden kann. Dazu verknüpft diese Untersuchung bankbetriebliche, vertriebliche, analytische, technologische sowie datenschutzrechtliche Inhalte, um von der Datensammlung über die Datenanalyse und Empfehlungsgenerierung bis hin zur proaktiven Kundenansprache den möglichen Einsatz eines Empfehlungssystems darzustellen.

Die vorliegende Dissertation wurde von meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Wiedemann, betreut und begleitet. Ihnen gilt mein besonderer Dank für Ihre Unterstützung und hilfreichen Anregungen. Herrn Prof. Dr. Volker Stein danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Herrn Prof. Dr. Andreas Dutzi danke ich für die Übernahme des Vorsitzes der Promotionskommission.

Darüber hinaus möchte ich mich ganz herzlich für das gute und motivierende Arbeitsklima am Lehrstuhl für Finanz- und Bankmanagement bedanken. Dafür verantwortlich sind bzw. waren Maria Otten, Natalie Schmücker, Vanessa Hille, Helena Gerding, Jan Hendrik Wilhelms, Julian Quast, Thomas Demmer und Timo Six.

Zuletzt möchte ich meiner Familie von ganzem Herzen danken. Meiner Mutter, Brigitte Leonhardt, danke ich dafür, dass Du mich auf meinem Weg stets unterstützt, bestärkt und angetrieben hast. Dafür danke ich auch meinen verstorbenen Großeltern Karl und Inge Leonhardt. Meiner Frau Jacqueline danke ich für Deine Geduld, Deine Unterstützung und Deinen Rückhalt. Meinem Sohn Karl danke ich dafür, dass Du mir zur rechten Zeit den nötigen Schwung gegeben und das Wesentliche deutlich gemacht hast.

Siegen, im April 2017

Fabian Leonhardt

Inhaltsübersicht

Geleitwort

Vorwort

Inhaltsübersicht

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

1.2 Gang der Untersuchung

2 Rahmenbedingungen des Einsatzes von Empfehlungssystemen in traditionellen Universalbanken

2.1 Traditionelle Universalbanken im Wettbewerb um Retailkunden

2.2 Digitalisierung im Retailgeschäft

2.3 Datenschutz im Retailgeschäft

3 Empfehlungssysteme und der operative Vertriebsprozess traditioneller Universalbanken

3.1 Profitabilitätsverbesserung durch Cross Selling

3.2 Grundlagen der Empfehlungssysteme

3.3 Empfehlungssysteme im operativen Vertriebsprozess

4 Gestaltung eines Empfehlungssystems zur proaktiven Kundenansprache in traditionellen Universalbanken

4.1 Anforderungen und Merkmale der Gestaltung von Empfehlungssystemen

4.2 Ausgestaltung eines kontextunabhängigen Empfehlungssystems

4.3 Begleitende Implikationen des Einsatzes von Empfehlungssystemen

5 Schlussbetrachtung

5.1 Zusammenfassung des Untersuchungsergebnisses

5.2 Limitationen und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Inhaltsverzeichnis

Geleitwort

Vorwort

Inhaltsübersicht

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

1.2 Gang der Untersuchung

2 Rahmenbedingungen des Einsatzes von Empfehlungssystemen in traditionellen Universalbanken

2.1 Traditionelle Universalbanken im Wettbewerb um Retailkunden

2.1.1 Untersuchungsobjekt Universalbank

2.1.1.1 Begriffliche Abgrenzung

2.1.1.2 Besonderheiten von Bankprodukten

2.1.2 Kunden-Produkt-Vertriebsweg-Kombination im Retailgeschäft traditioneller Universalbanken

2.1.2.1 Retailgeschäft und Retailkunden

2.1.2.2 Produktangebot im Retailgeschäft

2.1.2.3 Vertriebskanäle im Retailgeschäft

2.1.3 Marktumfeld im Retailgeschäft

2.1.3.1 Einflüsse im Marktumfeld traditioneller Universalbanken

2.1.3.2 Makroökonomischer Einflussbereich

2.1.3.3 Kompetitiver Einflussbereich

2.1.3.4 Psychografischer Einflussbereich

2.1.3.5 Ertrags- und Profitabilitätslage traditioneller Universalbanken

2.2 Digitalisierung im Retailgeschäft

2.2.1 Entwicklungen der Bankenbranche im Retailgeschäft

2.2.1.1 Digitalisierungskontinuum im Retailgeschäft

2.2.1.2 Analoge Banken

2.2.1.3 Traditionelle Universalbanken

2.2.1.4 Direktbanken

2.2.1.5 Fintechs und digitale Non Banks

2.2.2 Empfehlungssysteme der Internetökonomie

2.2.2.1 Funktionsweise von Empfehlungssystemen

2.2.2.2 Anwendbarkeit von Empfehlungssystemen im Bankkontext

2.2.3 Daten als Kernressource der Digitalisierung

2.2.3.1 Datenarten des Retailgeschäfts

2.2.3.2 CRM-Systeme zur Datenverwendung

2.2.3.3 Big Data

2.3 Datenschutz im Retailgeschäft

2.3.1 Datenschutzrechtliche Vorgaben

2.3.1.1 Begriffliche Abgrenzung des Datenschutzes

2.3.1.2 Prinzipien des Bundesdatenschutzgesetzes

2.3.2 Verwendung personenbezogener Daten nach dem Bundesdatenschutzgesetz

2.3.2.1 Zulässigkeit in Abhängigkeit der Datenverwendung

2.3.2.2 Zulässigkeit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten

2.3.2.3 Zulässigkeit der Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten zu Werbezwecken

2.3.3 Verwendung personenbezogener Daten nach dem Telemediengesetz

2.3.3.1 Abgrenzung der Geltungsbereiche

2.3.3.2 Abgrenzung personenbezogener Daten des Onlinebereichs

2.3.3.3 Zulässigkeit der Verwendung von Daten des Onlinebereichs

2.3.4 Zulässigkeit der werblichen Kundenansprache

3 Empfehlungssysteme und der operative Vertriebsprozess traditioneller Universalbanken

3.1 Profitabilitätsverbesserung durch Cross Selling

3.1.1 Cross Selling traditioneller Universalbanken

3.1.1.1 Relevanz des Cross Sellings für traditionelle Universalbanken

3.1.1.2 Erfolg des Cross Sellings traditioneller Universalbanken

3.1.1.3 Effektivität der Ansprache als Grundlage der Verbesserung des Cross Selling-Erfolgs

3.1.2 Empfehlungssysteme zur Reduktion des Zielkonflikts im Retailgeschäft traditioneller Universalbanken

3.1.2.1 Zielkonflikt zwischen Individualisierung und Profitabilität

3.1.2.2 Personalisierungsansätze zur Kundenansprache im Vergleich

3.1.2.3 Prozess der Personalisierung mittels Empfehlungssystemen

3.2 Grundlagen der Empfehlungssysteme

3.2.1 Analytische Filtermethoden von Empfehlungssystemen

3.2.1.1 Generische Filtermethoden

3.2.1.2 Hybride Filtermethoden

3.2.2 Kollaboratives Filtern als Beispiel der analytischen Komponente

3.2.2.1 Varianten des kollaborativen Filterns

3.2.2.2 Prozess der Empfehlungserzeugung durch kollaboratives Filtern

3.2.2.3 k-Nächste-Nachbarn-Algorithmus als Referenz kollaborativen Filterns

3.2.3 Kommunikative Methoden von Empfehlungssystemen

3.2.3.1 Inhalt und Format von Empfehlungen

3.2.3.2 Ausgestaltung von Empfehlungen in Inhalt und Format

3.2.4 Forschungsstand zu Empfehlungssystemen im Anwendungsbereich des Retailgeschäfts

3.3 Empfehlungssysteme im operativen Vertriebsprozess

3.3.1 Proaktive Bedarfsorientierung im operativen Vertriebsprozess als Rahmen der Personalisierung mittels Empfehlungssystemen

3.3.1.1 Kundenbeziehungsorientierung als leitendes Vertriebsparadigma

3.3.1.2 Kundenindividueller Kaufprozess

3.3.1.3 Proaktiver bedarfsorientierter Vertriebsprozess

3.3.1.4 Cross Selling-Ansprachen des operativen Vertriebsprozesses

3.3.2 Wirkung des Einsatzes von Empfehlungssystemen im Zielkonflikt zwischen Individualisierung und Profitabilität traditioneller Universalbanken

3.3.2.1 Verortung von Empfehlungssystemen im operativen Vertriebsprozess

3.3.2.2 Effekt der Personalisierung mittels Empfehlungssystemen auf die Profitabilität

4 Gestaltung eines Empfehlungssystems zur proaktiven Kundenansprache in traditionellen Universalbanken

4.1 Anforderungen und Merkmale der Gestaltung von Empfehlungssystemen

4.1.1 Rahmenbedingungen der Ausgestaltung und der Einsatzform eines Empfehlungssystems zur Kundenansprache in traditionellen Universalbanken

4.1.1.1 Interne und externe Rahmenbedingungen des Einsatzes eines Empfehlungssystems

4.1.1.2 Relevante Eigenschaften der Gestaltung eines Empfehlungssystems zur proaktiven Cross Selling-Ansprache

4.1.1.3 Identifikation zentraler Merkmale zur Gestaltung eines Empfehlungssystems

4.1.2 Einsatzformen von Empfehlungssystemen zur Kundenansprache im Vertrieb einer traditionellen Universalbank

4.1.2.1 Einsatz von Empfehlungssystemen im Rahmen des Geschäftsmodells

4.1.2.2 Einsatz eines kontextunabhängigen Empfehlungssystems zur Personalisierung der Cross Selling-Ansprache

4.1.2.3 Prinzipielle Einsatzformen von Empfehlungssystemen im Rahmen des Vertriebsprozesses zur kontextunabhängigen Cross Selling-Ansprache

4.2 Ausgestaltung eines kontextunabhängigen Empfehlungssystems

4.2.1 Kommunikative Komponente des Empfehlungssystems

4.2.1.1 Digitale Medien als Touchpoints der Empfehlungskommunikation

4.2.1.2 Vergleich der Effektivität kontextunabhängiger Empfehlungen per E-Mail und im Online Banking

4.2.1.3 Ausgestaltung der Empfehlungskommunikation im Rahmen des Online Bankings

4.2.1.4 Kontextunabhängige Empfehlungen auf Basis der Social Navigation

4.2.2 Analytische Komponente des Empfehlungssystems

4.2.2.1 Güte und Komplexität kollaborativen Filterns

4.2.2.2 Kontextunabhängige Bedarfsidentifikation mittels hybriden kollaborativen Filterns

4.3 Begleitende Implikationen des Einsatzes von Empfehlungssystemen

4.3.1 Ökonomische Bewertung des Einsatzes von Empfehlungssystemen

4.3.1.1 Wirtschaftlichkeitsanalyse des Einsatzes von Empfehlungssystemen zur Cross Selling-Ansprache

4.3.1.2 Kosten-Nutzen-Analyse des Einsatzes von Empfehlungssystemen

4.3.1.3 Empirische Ergebnisse zur Wirkung des Einsatzes von IKT in der Kunde-Bank-Interaktion

4.3.2 Rechtliche und moralische Legitimierung des Einsatzes von Empfehlungssystemen

4.3.2.1 Rechtliche Legitimierung der Datenverwendung und werblichen Ansprache eines Empfehlungssystems

4.3.2.2 Moralische Legitimierung des Einsatzes von Empfehlungssystemen

4.3.2.3 Einwilligung im Rahmen des Permission Marketings

4.3.3 Ergänzende organisatorische Implikationen des Einsatzes von Empfehlungssystemen

5 Schlussbetrachtung

5.1 Zusammenfassung des Untersuchungsergebnisses

5.2 Limitationen und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Anhang A: Beispiel einer Empfehlung nach DAPP 2015

Abkürzungsverzeichnis

Abb.Abbildung
Abs.Absatz
aCRMAnalytisches Customer Relationship Management
AGAktiengesellschaft
AGBAllgemeine Geschäftsbedingungen
Alt.Alternative
ATAllgemeiner Teil
Aufl.Auflage
BaFinBundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
BDSGBundesdatenschutzgesetz
BGBBürgerliches Gesetzbuch
BGBl.Bundesgesetzblatt
BSIBundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik
bzw.beziehungsweise
ca.circa
CIRCost Income Ratio
CRMCustomer Relationship Management
d. h.das heißt
DIN SPECDeutsches Institut für Normung Spezifikation
Diss.Dissertation
E-BusinessElectronic Business
ECElectronic Cash
E-CommerceElectronic Commerce
EKEigenkapital
E-MailElectronic Mail
ESEmpfehlungssystem
et al.et alii
etc.et cetera
EZBEuropäische Zentralbank
f.folgende [Seite]
ff.folgende [Seiten]
FintechFinanztechnologie Unternehmen
GPSGlobal Positioning System
GwGGeldwäschegesetz
Hrsg.Herausgeber
HTMLHypertext Markup Language
IKTInformations- und Kommunikationstechnologie
IPInternet Protocol
Jg.Jahrgang
kNNk-Nächste-Nachbarn
KWGKreditwesengesetz
MAEMean Absolut Error
MaRiskMindestanforderungen an das Risikomanagement
M-CommerceMobile Commerce
NFCNear Field Communication
Nr.Nummer
oCRMOperatives Customer Relationship Management
o. Jg.ohne Jahrgang
OLAPOnline Analytical Processing
o. Nr.ohne Nummer
o. S.ohne Seite[nangabe]
p. a.per annum
PDFPortable Document Format
PINpsersönliche Identifikationsnummer
P2BPeer-to-Business
P2PPeer-to-Peer
RFIDRadio-Frequency Identification
RMSERoot Mean Squared Error
Rn.Randnummer
ROCReceiver Operating Characteristic
S.Seite[n]
SBSelbstbedienung
SFASales Force Automation
SMSShort Message Service
TANTransaktionsnummer
TKGTelekommunikationsgesetz
TMGTelemediengesetz
Tz.Teilziffer
u. a.und andere
U-DemogNutzerbasierter Demog-Algorithmus
UGCUser Generated Content
UWGGesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
Vgl.Vergleiche
WWWWorld Wide Web
ZAGZahlungsdiensteaufsichtsgesetz
z. B.zum Beispiel

Symbolverzeichnis

AUKAusbaukunden [in Stück]
CSCross Selling-Rate [in Prozent]
I, iObjekt [Item]
kk-nächste Nachbarn [Teilmenge der Nutzer m]
KBKundenbestand [in Stück]
K, LAnforderungen
mAnzahl der Nutzer
nAnzahl der Objekte
OKomplexität
rˆPrognose der numerischen Bewertung [Rating]
simÄhnlichkeit
tPeriode
U, uNutzer [User]
X, Y, ZEmpfehlungsobjekte
ZUFZufriedenheitsrate [in Prozent]
§Paragraf
§§Paragrafen
%Prozent

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Gang der Untersuchung

Abb. 2: Bedarfsfelder und korrespondierende Produktbündel im Retailgeschäft

Abb. 3: Übersicht der Vertriebskanäle im Retailgeschäft

Abb. 4: Einflüsse im Marktumfeld des Retailgeschäfts traditioneller Universalbanken

Abb. 5: Ertragsquellen im Retailgeschäft

Abb. 6: CIR und EK-Rentabilität im deutschen Bankenmarkt

Abb. 7: Digitalisierungskontinuum im Retailgeschäft

Abb. 8: Entwicklung der Anzahl der Filialen inländischer traditioneller Universalbanken ab 2000

Abb. 9: Entwicklung der Anzahl inländischer traditioneller Universalbanken ab 2000

Abb. 10: Komponenten eines typischen Empfehlungssystems

Abb. 11: Kriterien der Anwendbarkeit von ES im Bankkontext

Abb. 12: Übersicht der Kundendaten

Abb. 13: Zulässigkeitstatbestände im Umgang mit personenbezogenen Daten

Abb. 14: Differenzierung von Onlinedaten nach bereichsspezifischen Gesetzen

Abb. 15: Zulässigkeit der werblichen Ansprache

Abb. 16: Zusammenhang zwischen Steigerung der Effektivität durch Personalisierung der Ansprache und Profitabilität im Retailgeschäft

Abb. 17: Personalisierungsansätze im Retailgeschäft

Abb. 18: Iterativer Personalisierungsprozess

Abb. 19: Generische Filtermethoden

Abb. 20: Techniken zur Hybridisierung von ES

Abb. 21: Prozess zur Erzeugung von Empfehlungen mittels kollaborativen Filterns

Abb. 22: Randinformationen der Nutzer-Objekt-Marix des kollaborativen Filterns

Abb. 23: Schritte im kNN-Algorithmus

Abb. 24: Bestandteile einer Empfehlung

Abb. 25: Ziele der Ausgestaltung von Empfehlungen

Abb. 26: Beispiele für Erläuterungsstile in Textform auf Basis der Filtermethoden

Abb. 27: Kombinationen von Erläuterungsstilen

Abb. 28: ES im Privatkundengeschäft von Banken

Abb. 29: Kundenkaufprozess für Bankprodukte

Abb. 30: Proaktiver bedarfsorientierter Vertriebsprozess

Abb. 31: Bestandteile von Cross Selling-Ansprachen

Abb. 32: Einsatzmöglichkeiten von ES im Rahmen des Kundenkaufprozesses

Abb. 33: ES zur Kundenansprache im proaktiven bedarfsorientierten Vertriebsprozess

Abb. 34: Die Wirkung des Einsatzes von ES zur Cross Selling-Ansprache auf die Profitabilität

Abb. 35: Interne und externe Rahmenbedingungen zur ES-Gestaltung

Abb. 36: Interdependenzen der Rahmenbedingungen zur Einsatzform und Ausgestaltung von ES zur Cross Selling-Ansprache im Retailgeschäft traditioneller Universalbanken

Abb. 37: Prinzipielle Einsatzformen von ES im Vertriebsprozess

Abb. 38: Vergleich der Effektivität digitaler Medien zur Empfehlungskommunikation

Abb. 39: Beispiel eines Kosten- und Nutzenverlaufs eines IKT-Projekts

Abb. 40: Kosten und Nutzen einer Personalisierung der Kundenansprache mittels ES für Retailkunden und traditionelle Universalbanken

Abb. 41: Präaktive Quantifizierung des Nutzens des Einsatzes von ES

Abb. 42: Gesamtkosten des Einsatzes von ES

Abb. 43: ES im Lichte datenschutzrechtlicher Anforderungen

Abb. 44: Voraussetzung der Zulässigkeit der werblichen Kundenansprache

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Das Geschäftsmodell traditioneller Universalbanken im Retailgeschäft in Deutschland steht intern und extern unter Druck. Herausforderungen liegen insbesondere in den externen Markt- und Wettbewerbsbedingungen, den Kundenerwartungen und der internen Profitabilitätslage. Besonders die Digitalisierung stellt hinsichtlich dieser Herausforderungen sowohl ein Risiko als auch eine Chance für traditionelle Universalbanken dar.

Eine Verknüpfung der Stärken traditioneller Universalbanken mit den Potenzialen der Digitalisierung kann dazu führen, dass die Wettbewerbsposition gestärkt und die Profitabilität gesteigert werden kann. Stärken traditioneller Universalbanken liegen insbesondere in dem nach wie großen Kundenbestand, den Hausbankbeziehungen zu diesen Kunden und dem Angebot physischer Beratungsleistungen besonders zu aus Kundensicht komplizierten Bankprodukten.

Im Retailkundensegment in Deutschland bestehen im internationalen Vergleich unausgeschöpfte Cross Selling-Potenziale. Das proaktive Heben dieser Potenziale kann die Ertragslage traditioneller Universalbanken verbessern. Allerdings ist es für ein solches Heben erforderlich, die Erwartungen seitens der Kunden zu erfüllen. Kunden erwarten von Banken ebenfalls die Annehmlichkeiten anderer Branchen und wünschen eine Individualisierung der Leistungen sowie eine Personalisierung der Ansprache. Doch diese Erwartung kann im Retailgeschäft aufgrund der auf Einzelkundenebene geringen Ertragspotenziale noch nicht profitabel dargestellt werden. Dieser Zielkonflikt lässt sich durch den Einsatz von Informationsund Kommunikationstechnologie reduzieren. Insbesondere, indem traditionelle Universalbanken im Sinne eines Best Practice-Ansatzes erfolgreiche Methoden anderer Branchen nutzen. Zur Personalisierung der Touchpoints und der Cross Selling-Ansprache bieten sich die erfolgreichen Empfehlungssysteme aus der Internetökonomie an. Diese Empfehlungssysteme erzeugen automatisiert Empfehlungen auf Basis künstlicher Intelligenz und kommunizieren diese proaktiv an Kunden.

In der einschlägigen Literatur ist eine solche Betrachtung zum Einsatz von Empfehlungssystemen zur proaktiven Kundenansprache bzw. Cross Selling-Ansprache bisher nicht erfolgt. Diese Untersuchung schließt diese Forschungslücke. Ferner bietet diese Untersuchung der Praxis traditioneller Universalbanken konkrete Ansatzpunkte für den Einsatz von Empfehlungssystemen im operativen Vertriebsprozess und zeigt auf, unter welchen Voraussetzungen der Einsatz eines Empfehlungssystems profitabel ist und wie ein solches Empfehlungssystem zur proaktiven Kundenansprache gestaltet werden kann.

1.2 Gang der Untersuchung

Abb. 1 veranschaulicht den Gang der Untersuchung. Dieser ist in drei Hauptkapitel untergliedert, deren Inhalte folgend skizziert werden.

Image

Abb. 1: Gang der Untersuchung1

Das zweite Kapitel stellt die Rahmenbedingungen des Einsatzes von Empfehlungssystemen in traditionellen Universalbanken dar. Nach einer kurzen definitorischen Abgrenzung des Untersuchungsobjekts Universalbank, werden die zentralen Herausforderungen im Retailgeschäft traditioneller Universalbanken betrachtet. Dazu werden die externen Einflüsse im Marktumfeld und anschließend die interne Ertrags- und Profitabilitätslage traditioneller Universalbanken im Retailgeschäft betrachtet.

Nachfolgend wird der Einfluss der Digitalisierung auf die Bankenbranche allgemein und auf traditionelle Universalbanken speziell im Rahmen des Digitalisierungskontinuums beleuchtet. In diesem Zusammenhang werden Empfehlungssysteme als Werkzeug zur Digitalisierung traditioneller Universalbanken einführend vorgestellt und deren prinzipielle Anwendbarkeit zur proaktiven Kundenansprache im Bankkontext nachgewiesen. Da Daten und deren Verfügbarkeit die Kernressource der Digitalisierung mittels Empfehlungssstemen darstellen, werden die Datenarten und deren Verarbeitung im Retailgeschäft ebenso wie die Potenziale von Big Data dargestellt.

Als wesentliche Limitierung der potenziellen Verwendung dieser Daten ist das geltende Datenschutzrecht ebenso wie die moralischen Erwartungen zum Umgang mit personenbezogenen Daten in der Gesellschaft bzw. im Kundenbestand zu berücksichtigen. Die Regelungen für den Umgang mit personenbezogenen Daten und der werblichen Kundenansprache werden daher grundlegend dargestellt.

Auf Basis der Ausführungen des zweiten Kapitels werden im dritten Kapitel die Potenziale einer Profitabilitätsverbesserung traditioneller Universalbanken durch Cross Selling betrachtet. Die Cross Selling-Potenziale im Kundenbestand lassen sich durch eine Individualisierung und insbesondere Personalisierung der Cross Selling-Ansprache unter sonst gleichen Bedingungen heben. Der sich aus der Individualisierung bzw. Personalisierung ergebende Zielkonflikt gegenüber der Profitabilität kann durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie, in Gestalt von Empfehlungssystemen, reduziert werden. Insbesondere werden Empfehlungssysteme als das im Vergleich zu alternativen Personalisierungsansätzen geeignetste System bzw. Verfahren identifiziert.

Anschließend werden die Grundlagen von Empfehlungssystemen dargelegt. Dazu werden die analytischen Methoden ebenso wie die kommunikativen Methoden von Empfehlungssystemen grundlegend dargestellt. Daran schließt sich eine ausführliche Darstellung des Forschungsstands des Einsatzes von Empfehlungssystemen im Anwendungsbereich des Retailgeschäfts an, um den wissenschaftlichen Beitrag dieser Untersuchung aufzuzeigen.

Nachfolgend wird der operative Vertriebsprozess von Banken betrachtet, der sich an dem Kundenkaufprozess ausrichtet. Auf Basis dieser Darstellung zeigt Kapitel 3, dass sich der operative Vertriebsprozess und der Einsatz von Empfehlungssystemen zur Kundenansprache komplementär ergänzen. Die Effekte dieser Ergänzung auf die Profitabilität traditioneller Universalbanken werden abschließend beleuchtet.

Das vierte Kapitel greift das Ergebnis des dritten Kapitels auf und analyisiert grundlegend, wie Empfehlungssysteme im Rahmen traditioneller Universalbanken zur Kundenansprache eingesetzt werden können. Dazu werden zunächst sieben zentrale Gestaltungsmerkmale von Empfehlungssystemen zur Kundenansprache identifiziert. Anschließend erfolgt eine Darstellung der prinzipiellen Einsatzform von Empfehlungssystemen im Rahmen des Geschäftsmodells und des operativen Vertriebsprozesses traditioneller Universalbanken. Dabei wird gezeigt, dass ein Empfehlungssystem sowohl mit seinen analytischen als auch kommunikativen Methoden eingesetzt werden muss, damit die Potenziale hinsichtlich des Zielkonflikts zwischen Individualisierung und Profitabilität gehoben werden können.

Nachfolgend wird auf dieser Grundlage die Ausgestaltung eines kontextunabhängigen Empfehlungssystems zur proaktiven Cross Selling-Ansprache betrachtet. Diese Betrachtung beginnt mit der Ausgestaltung der kommunikativen Komponente eines Empfehlungssystems zur Empfehlungskommunikation gegenüber Kunden. Hinsichtlich der Ziele des Einsatzes von Empfehlungssystemen wird das Online Banking als effektivster und effizientester Touchpoint zur Empfehlungskommunikation identifiziert. Auf Basis der Grundlagen zu Empfehlungssystemen aus Kapitel 3 wird unter Berücksichtigung der Social Navigation die mögliche Ausgestaltung in Inhalt und Format einer kontextunabhängigen Empfehlung dargelegt. Im Anschluss folgt die Betrachtung der Ausgestaltung der analytischen Komponente des Empfehlungssystems. Ebenfalls der Idee der Social Navigation folgend, wird das kollaborative Filtern als analytische Methodik identifiziert, um Bedarfe proaktiv zu identifizieren und diese über das Online Banking zu kommunizieren. In diesem Zusammenhang wird auch die Güte und Genauigkeit der über das Empfehlungssytem generierten und kommunizierten Empfehlungen betrachtet und der Komplexität der analytischen Methodik gegenübergestellt.

Zum Abschluss von Kapitel 4 werden begleitende Implikationen eines Einsatzes von Empfehlungssystemen zur Kundenanprache in traditionellen Universalbanken betrachtet. Dazu erfolgt zunächst die ausführliche Darstellung einer Wirtschaftlichkeitsanalyse. Detailliert werden Kosten und Nutzen des Einsatzes von Empfehlungssystemen zur Kundenansprache hergeleitet. Anschließend werden datenschutzrechtliche und moralische Anforderungen betrachtet, die es zwingend sowohl hinsichtlich der Datenverwendung als auch der werblichen Ansprache zu berücksichtigen und einzuhalten gilt. Hier erweist sich insgesamt die proaktive Einholung einer Einwilligung von Kunden im Rahmen des Permission Marketings als zielführend. Abschließend werden ergänzende organisatorische Implikationen des Einsatzes von Empfehlungssystemen in traditionellen Universalbanken betrachtet.

Die Untersuchung schließt mit einer Schlussbetrachtung. Das Fazit fasst das Ergebnis dieser Untersuchung zusammen, stellt Limitationen dar und bietet darüber hinaus einen Ausblick.

Fußnoten:

1 Eigene Darstellung.

2 Rahmenbedingungen des Einsatzes von Empfehlungssystemen in traditionellen Universalbanken

2.1 Traditionelle Universalbanken im Wettbewerb um Retailkunden

2.1.1 Untersuchungsobjekt Universalbank

2.1.1.1 Begriffliche Abgrenzung

In der arbeitsteiligen Volkswirtschaft sind Kreditinstitute Intermediäre des Geldkreislaufs, sie wickeln Zahlungen für Wirtschaftsakteure ab und stellen den Ausgleich zwischen Geldanlage und Finanzierungsbedarf her.2 Im Rahmen des Ausgleichs zwischen Geldanlage und Finanzierung übernehmen Kreditinstitute Transformationsfunktionen in einer Volkswirtschaft in Form der Betragstransformation, Fristentransformation, Risikotransformation, räumlichen Markttransformation und Informationsfunktion.3 Rohstoffe sind neben Geld daher besonders Daten und Informationen.4 Als Informationsverarbeiter sind Kreditinstitute auf die effiziente Beschaffung, Speicherung und Verarbeitung von Daten und Informationen angewiesen.5

Kreditinstitute6 sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Kreditwesengesetz7 (KWG) Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig betreiben oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Die Bankgeschäfte werden in § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG im Einzelnen aufgeführt. Für das klassische Privatkundengeschäft von Banken sind davon unmittelbar das zinstragende Einlagen- und Kreditgeschäft von Bedeutung, das zur Generierung des Zinsüberschusses als Hauptertragsquelle deutscher Banken führt.8 Das Einlagengeschäft bezeichnet dabei die Hereinnahme von Geldern des Publikums (Passivgeschäft), wobei das Kreditgeschäft die Gewährung von Gelddarlehen (Aktivgeschäft) bezeichnet.9 Weitere Bankgeschäfte sind das Pfandbriefgeschäft, das Diskontgeschäft, das Finanzkommissionsgeschäft, das Depotgeschäft, das Revolvinggeschäft, das Garantiegeschäft, das Scheck-, Wechsel- und Reisescheckgeschäft, das Emissionsgeschäft sowie die Tätigkeit als zentraler Kontrahent. Das Betreiben der jeweiligen Bankgeschäfte hängt von dem Geschäftsmodell und den bearbeiteten Marktsegmenten einer Bank ab, wie noch gezeigt wird.

Der Zahlungsverkehr ist seit dem Jahr 2009 mit Ausnahme von Wechseln, Schecks und Reiseschecks, kein klassisches Bankgeschäft mehr. Zahlungsverkehrsdienste können nunmehr gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz10 (ZAG) sowohl von Kreditinstituten (als Zahlungsinstitute) als auch von E-Geld-Instituten betrieben werden. E-Geld-Institute betreiben ausschließlich elektronische Geldgeschäfte. In der Bundesrepublik Deutschland ist für das Betreiben des E-Geldgeschäfts ebenso wie für das Betreiben von Bankgeschäften (in Abstimmung mit der Europäischen Zentralbank) eine schriftliche Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erforderlich.11 Die regulatorischen Anforderungen für das Betreiben von Bankgeschäften sind im Vergleich zu den E-Geld-Geschäften höher.12 Dies und die technologischen Entwicklungen der vergangenen Jahre, basierend auf einer prinzipiellen Standardisierbarkeit und Digitalisierbarkeit von Zahlungsverkehrsdienstleistungen, haben dazu geführt, dass zahlreiche branchenfremde Unternehmen der Internetökonomie in das Zahlungsverkehrsgeschäft eingetreten sind. Diese Unternehmen bieten mit einer E-Geld-Lizenz Zahlungsverkehrsleistungen im Internet (World Wide Web) bzw. über das Internet an.13

Neben Banken bieten Finanzdienstleistungsinstitute gesetzlich definierte Finanzdienstleistungen an, die in § 1 Abs. 1a KWG aufgeführt werden. Finanzdienstleistungen sind z. B. die Anlageberatung oder die Finanzportfolioverwaltung. Finanzdienstleistungsinstitute betreiben keine Bankgeschäfte und konzentrieren sich vornehmlich auf das Beratungs- und Vermittlungsgeschäft von Finanzinstrumenten. Finanzinstrumente sind gemäß § 1 Abs. 11 KWG Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Devisen und Derivate. Zum Betreiben von Finanzdienstleistungsgeschäften ist ebenfalls eine schriftliche Erlaubnis der BaFin erforderlich.14 Mit diesen zinsunabhängigen Finanzdienstleistungsgeschäften werden vornehmlich Provisionserträge aus Vermittlungs-, Depot- und Wertpapiergeschäften generiert.15 Neben Kreditkartenanbietern oder Versicherungsunternehmen werden Finanzdienstleistungsunternehmen auch als Near Banks (banknahe Unternehmen) bezeichnet, da sie zwar keine Banken im eigentlichen Sinne sind aber banknahe Dienstleistungen anbieten.16 Von den genannten Near Banks lassen sich Non Banks als bankfremde Unternehmen abgrenzen. Non Banks sind branchenfremde Unternehmen, die Bankleistungen anbieten.17 Beispiele hierfür sind Automobilhersteller, Handelsunternehmen oder Telekommunikationsunternehmen.18

Banken bieten neben den gesetzlich definierten Bankleistungen, wie der Hereinnahme von Spareinlagen oder der Ausgabe von Darlehen, Finanzdienstleistungen sowie weitere Dienstleistungen an, wie z. B. Zahlungsverkehr, Bausparen, Versicherungen, Vermögensverwaltung oder auch Immobilienvermittlung. Dieses umfassende Angebot wird auch als Allfinanzangebot von Banken bezeichnet.19 Allfinanz beabsichtigt die umfassende Abdeckung aller Kundenbedürfnisse über den kompletten Lebenszyklus des Kunden hinweg aus einer Hand, sowohl der monetären Bedürfnisse als auch der Sicherungsbedürfnisse.20 Allgemein lässt sich Allfinanz als die Synthese unterschiedlicher Finanzintermediäre, wie Banken und Near-Banks, definieren, z. B. Banken, Bausparkassen und Versicherungsunternehmen.21 Beispielsweise verfolgen Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Kooperation mit ihren Verbundpartnern (z. B. Bausparkassen, Versicherungen und Kapitalanlagegesellschaften) eine Allfinanzstrategie.22 Großbanken verfolgen eine ähnliche Strategie, allerdings im Rahmen einer Konzernstruktur.23

Mit dem Begriff des Allfinanzangebots verknüpft, jedoch nicht deckungsgleich, ist der Begriff der Universalbank. Universalbanken betreiben fast alle der im Kreditwesengesetz aufgeführten Bankgeschäfte und bieten im Sinne des Allfinanzangebots ebenfalls Finanzdienstleistungen an.24 Die Leistungen und das Leistungsangebot von Universalbanken, insbesondere im Sinne der Allfinanz dienen dazu den Bedarf des Kunden umfänglich aus einer Hand zu befriedigen.25 Demgegenüber steht die Spezialbank, die nur bestimmte Bankgeschäfte betreibt.26 Universalbanken bedienen neben Privatkunden weitere Markt- bzw. Kundensegmente, wie z. B. Firmenkunden oder institutionelle Kunden, und betreiben ebenfalls kapitalmarktnahe Geschäftsbereiche/-felder, wie z. B. das Investment Banking.27 Die Mehrzahl der deutschen Banken ist als Universalbank tätig.28 Die als Spezialbanken tätigen Direktbanken fokussieren hingegen auf das Mengenkundengeschäft mit einem eingeschränkten und spezialisierten Produktangebot.29 Diese spezialisierten Banken werden als Direktbanken bezeichnet, da die Kunde-Bank-Interaktion über direkte Kanäle, d. h. Telefon, Electronic-Mail (E-Mail) oder Internet, ohne stationären Vertrieb erfolgt.30

In diesem Zusammenhang beschreibt das Geschäftsmodell einer Bank allgemein mit welcher Kunden-Produkt-Vertriebsweg-Kombination der Großteil der Erträge erzielt wird.31 Auf Basis dieser weiten Definition ergibt sich im Detail eine Vielzahl möglicher Geschäftsmodelle von Banken. Wird bei der Betrachtung des Geschäftsmodells das Leistungsspektrum der angebotenen Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäfte in den Vordergrund gestellt, wodurch implizit auch die bearbeiteten Kundensegmente erfasst werden, ergibt sich die zuvor aufgeführte Differenzierung in Universalbanken und Spezialbanken als Geschäftsmodelle.32 Die Universalbanken lassen sich wiederum nach der Rechtsform differenzieren in Geschäftsbanken (Großbanken), öffentlich-rechtliche Banken (Sparkassen) und Genossenschaftsbanken.33 Gemein ist allen diesen drei Universalbankformen, dass sie ein breites Spektrum sowohl von Bankgeschäften als auch von Finanzdienstleistungsgeschäften betreiben und gegenüber unterschiedlichen Kundengruppen, wie Privatkunden, Geschäftskunden, Firmenkunden und/oder institutionellen Kunden, anbieten. Gemein ist diesen Universalbanken ebenfalls, dass der Zinsüberschuss die wichtigste Ertragsquelle darstellt.34 Spezialbanken hingegen betreiben lediglich einzelne, ausgewählte Bankgeschäfte bzw. Finanzdienstleistungsgeschäfte gegenüber ausgewählten Kundengruppen oder -segmenten.

Diese drei Rechtsformen der Universalbanken teilen sich im Wesentlichen den Markt im Retailkundengeschäft in Deutschland auf.35 In dieser Untersuchung wird das Geschäft dieser traditionellen Universalbanken36 mit Retailkunden betrachtet. Die Kunden-Produkt-Vertriebsweg-Kombination dieser traditionellen Universalbanken insbesondere im Retailgeschäft wird im Rahmen des Kapitels 2.1.2 detailliert beleuchtet. Doch nachfolgend werden zunächst Besonderheiten von Bankprodukten betrachtet, die relevant für das Retailgeschäft traditioneller Universalbanken und die weitere Untersuchung sind.

2.1.1.2 Besonderheiten von Bankprodukten

Die Produktion37 und der Vertrieb von Bankprodukten, insbesondere im Privatkundenbereich, weisen einige Besonderheiten gegenüber anderen Branchen und Produkten auf. Zunächst einmal handelt es sich bei Bankprodukten38 um keine materiellen Produkte (Sachleistungen), sondern um immaterielle Dienstleistungen.39 Bankprodukte haben die Eigenschaft, dass (1) die Leistung, erst nach Abschluss vom Kunden erlebt und in der Folge bewertet werden kann, (2) die Produktion der Leistung personenbezogen ist und der Kunde anwesend sein muss, (3) die Leistung daher auch nicht lagerfähig ist, (4) die Leistung aufgrund der Eigenschaften (1) und (2) qualitative Schwankungen aufweisen kann sowie (5) Innovationen rechtlich nicht geschützt werden können.40 Diese Bankdienstleistungseigenschaften sind bei der Produktion und dem Vertrieb gegenüber Kunden zwingend zu berücksichtigen.

Aus Sicht einer Bank bieten diese Dienstleistungseigenschaften hinsichtlich der technologischen Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologien41 (IKT) Standardisierungspotenziale.42 Die Immaterialität der Bankprodukte ermöglicht prinzipiell eine vollständige Digitalisierbarkeit der Leistungen, bezogen sowohl auf die Produktion als auch auf den Absatz.43 Damit ergeben sich Potenziale hinsichtlich der Vorhaltung von Kapazitäten zur Erbringung der Vertriebs- und Beratungsleistungen im stationären Vertrieb und der damit verbundenen fixen Kosten.44 Insbesondere standardisierte Produkte können von der Produktion über die Beratung bis hin zum Verkauf ganz oder teilweise über elektronische bzw. digitale Kanäle abgewickelt werden.45 Besonders im Mengenkundengeschäft eröffnen sich, aufgrund der tendenziell weniger komplizierten Kundenbedarfe und damit weniger wissensintensiven Beratungsleistung, Potenziale durch Standardisierung und Digitalisierung.46 Die Standardisierung von Bankprodukten bezeichnet die Vereinheitlichung der Leistungen, sowohl in der Produktion als auch im Vertrieb.47 Dabei kann die Digitalisierung der Wertschöpfung und des Vertriebs die bankseitigen Kosten ebenso reduzieren wie die kundenseitigen Transaktionskosten.48

Aus Kundensicht werden Bankprodukte aufgrund der aufgeführten konstitutiven Eigenschaften von einer generellen Abstraktheit gegenüber anderen Dienstleistungen begleitet.49 Dies führt zu einer vergleichsweise hohen Erklärungsbedürftigkeit und zu einer höheren Kompliziertheit von Bankprodukten. Die Erklärungsbedürftigkeit hängt im Einzelfall von der Standardisierung der Leistung und dem Informationsstand des Kunden ab.50 Je standardisierter ein Produkt und je informierter ein Kunde, desto weniger abstrakt und damit erklärungsbedürftig ist das Produkt. Darüber hinaus ist das funktionale Risiko bei Bankprodukten höher, da ex ante nicht beurteilt werden kann, ob das Produkt in der Lage ist den Bedarf zu decken.51 Ferner ist die Bindung an eine Entscheidung für ein Bankprodukt eher langfristig und aus einer Fehlentscheidung kann ein finanzieller Schaden entstehen, welches die Wahrnehmung einer höheren Kompliziertheit von Bankprodukten weiter steigert.52

Finanzpsychologische, theoretische Modelle unterstellen bei finanzbezogenen Entscheidungen von Individuen häufig reflektierte Entscheidungen, bei denen sämtliche zur Verfügung stehende Alternativen von den betreffenden Individuen berücksichtigt werden.53 Bei Entscheidungssituationen unter Unsicherheit wird danach diejenige Alternative vom betreffenden Individuum präferiert, die den höchsten Nutzen erwarten lässt.54 Unter dem Konstrukt der Präferenz wird die relative Vorteilhaftigkeit eines Produkts oder einer Dienstleistung im Vergleich zu alternativen Produkten oder Dienstleistungen verstanden.55 Diese Präferenzen lassen sich auch als relativierte Einstellungen verstehen und Einstellungen gelten im Rahmen der Kaufverhaltensforschung als Treiber des Verhaltens.56 Individuen (Kunden) verhalten sich als Nutzenmaximierer, d. h. es wird dasjenige Produkt erworben, das bei gegebener Kaufkraft die bestmögliche Bedürfnisbefriedigung verspricht.57 Zentrale Annahme dabei ist, dass die Kaufentscheidung durch Nutzenerwartungen bestimmt wird und Individuen (Kunden) sämtliche verfügbaren Alternativen mit in die Entscheidung einbeziehen.