Martin Faust  Stefan Scholz (Hg.)

Nachhaltige Geldanlagen

 
Produkte, Strategien
und Beratungskonzepte
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ISBN (Print): 978-3-940913-60-9
ISBN (PDF): 978-3-940913-94-4
ISBN (ePub): 978-3-940913-95-1
2., vollständig überarbeitete Auflage 2014  © Frankfurt School Verlag GmbH, Sonnemannstraße 9-11, 60314 Frankfurt am Main

Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Herausgeber
I Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsmanagement
Vom Nachhaltigen Wirtschaften als ökonomische Grundlage
Max Schön/Alexander Ebert
Ethik in der Geldanlage: Grundlagen, Kriterien und Herausforderungen
Klaus Gabriel
Green Finance: Wachstumsfeld Umwelt
Florian Kammerer/Carlo Velten
Nachhaltigkeitsfeld Sozial
Hendrik Garz/Arne Philipp Klug
Corporate Governance und Unternehmenswert
Alexander Bassen/Christine Zöllner
Nachhaltiges Investment erfordert „Business Cases for Sustainability“
Stefan Schaltegger
II Nachhaltige Geldanlagen – Einführung, Zielgruppen und Wachstumspotenziale
Nachhaltige Geldanlagen
Martin Faust/Stefan Scholz
Nachhaltige Geldanlage – eine Begriffsanalyse
Dieter W. Horst
Rechtliche Rahmenbedingungen und Standards in der Nachhaltigen Geldanlage
Georg Schürmann
Nachhaltige Geldanlagen – die Forderung nach mehr Transparenz
Volker Weber
Nachhaltigkeit als Teil des Risikomanagements bei der Kapitalanlage
Ingo Speich/Stephanie Senff-Gerstein
Institutionelle Investoren – Motive und Bedeutung
Christoph Klein
Nachhaltige Geldanlage und Versicherungen
Axel Wilhelm
Pensionskassen und nachhaltige Veranlagung
Silke Stremlau
Stiftungen und Nachhaltige Geldanlagen
Berenike Wiener
III Nachhaltige Geldanlagen – Anlageformen
Nachhaltige Einlagen
Thomas Jorberg
In Anleihen investieren – Gibt es Nachhaltigkeitsspreads?
Marcus Pratsch
Klimaanleihen
Karsten Löffler/Simone Ruiz/Thomas Liesch
Nachhaltige Investmentfonds –Markt, Konzepte und Performance in Europa
Michael Busack/Sven Rohwedder
Nachhaltige Zertifikate
Markus Scholand/Doris Könen
Investition in nachhaltige Projekte mittels geschlossener Fonds
Martin Faust
Nachhaltige Immobilieninvestments
Henry Schäfer/Christian Gromer
Ackerland- und Waldinvestments
Jürgen Raeke
Mikrofinanz – Aktuelle Entwicklungen und Marktausblick
Fatma Dirkes/Cédric Lützenkirchen
IV Nachhaltige Geldanlagen – Bewertung und Auswahl
Performance nachhaltiger und konventioneller Kapitalanlagen im Vergleich
Michael Schröder
Sustainability Indizes
Guido Giese
Nachhaltigkeitsresearch am Beispiel der oekom research AG
Matthias Bönning/Robert Haßler
Nachhaltigkeitsresearch der Zürcher Kantonalbank
Simone Schärer
Nachhaltigkeitsanalyse bei Staaten
Ennio Perna
V Strategische Bedeutung Nachhaltiger Geldanlagen und Integration in die Produktpalette
Marktpotenzial Nachhaltiger Geldanlagen
Ulrich Hoyer/Christof Jauernig
Wer interessiert sich (nicht) für nachhaltige Anlageprodukte? Eine Kundenklassifizierung
Christian Klein/Anett Wins/Bernhard Zwergel
Implementierung Nachhaltiger Geldanlagen im Privatkundengeschäft
Chris-Oliver Schickentanz
Nachhaltige Geldanlagen im Portfoliomanagement
Marianne Ullrich
Implementierung Nachhaltiger Geldanlagen in der Vermögensverwaltung
Dieter Grosenick
Autorenverzeichnis

Vorwort der Herausgeber

Das Marktsegment der Nachhaltigen Geldanlage hat im letzten Jahrzehnt ein dynamisches Wachstum erfahren. So ist der Anteil der privaten und institutionellen Investoren, die in Nachhaltige Geldanlagen investieren, stark angestiegen, auch haben die Finanzdienstleister das Produkt- und Leistungsangebot kontinuierlich erweitert.
Viele zukunftsorientierte Anleger erwarten heute mehr als ein möglichst günstiges Verhältnis der klassischen Anlagekriterien Sicherheit, Rendite und Liquidität im Hinblick auf ihr Vermögen. Daher finden Anlagen in Unternehmen, Produkte oder Projekte, welche ökonomische mit ökologischen oder sozialen Aspekten verbinden, immer mehr Interessenten im Finanzmarkt. Unterstützt durch globale Veränderungen, wie knapper werdende Ressourcen, Klimaerwärmung oder den demografischen Wandel, aber auch durch die zunehmende öffentliche Wahrnehmung sowie politische Bestrebungen, Änderungen herbeizuführen, wird sich dieser Trend weiter fortsetzen.
Finanzdienstleister haben bisher auf sehr unterschiedliche Weise auf diese Entwicklung reagiert. Zum Teil sind Nachhaltige Geldanlagen bereits fester Bestandteil der Produktpalette und des Beratungsangebots. In einigen Häusern findet das Thema bisher kaum Beachtung. Angesichts dieser sehr unterschiedlichen Herangehensweisen an die Herausforderungen, welche sich durch eine Integration Nachhaltiger Geldanlagen in das Leistungsangebot ergeben, ist es sinnvoll, die verschiedenen Facetten einer Nachhaltigen Geldanlage aus dem Blickwinkel eines Investors sowie eines Finanzdienstleisters näher zu beleuchten.
Seit der ersten Auflage im Jahr 2008 hat sich das Buch zu dem Standardwerk im Bereich Nachhaltiger Geldanlagen entwickelt. Die in diesem sehr dynamischen Segment des Finanzmarktes eingetretenen fundamentalen Veränderungen machen eine vollständige Überarbeitung und Aktualisierung des Buches notwendig. So wurden zahlreiche neue Themen mit aufgenommen. Darüber hinaus konnten viele neue Autoren gewonnen werden.
Ziel dieses Buchs ist es, einen umfassenden, praxisbezogenen Einblick in die Materie sowie Anregungen und Argumente für eine erfolgreiche Integration in das bestehende Dienstleistungsangebot von Finanzdienstleistern aufzuzeigen. Diesem Zweck dienen neben den wissenschaftlichen Beiträgen die zahlreichen Ausführungen hochrangiger Repräsentanten aus der Finanzdienstleistungspraxis. Das Buch richtet sich daher an Produkt- und Vertriebsverantwortliche sowie Kundenberater aus der Kreditwirtschaft und der Assekuranz, Unternehmensberater, aber auch an institutionelle und private Investoren sowie an alle, die sich für Nachhaltige Geldanlagen interessieren.
Das Buch ist in fünf Abschnitte gegliedert. Im ersten Teil wird das Thema Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsmanagement erläutert, im zweiten wird ein Überblick über Nachhaltige Geldanlagen sowie über die Zielgruppen und deren Motive gegeben. Die Anlagemöglichkeiten und -instrumente im Segment Nachhaltiger Geldanlagen stehen im Mittelpunkt des dritten Teils. Im vierten Abschnitt wird auf die Bewertung und die Auswahl der Anlagen eingegangen. Die Integration in die bestehende Leistungs- und Produktpalette steht im Fokus des fünften Teils.
Die Herausgeber danken allen Autoren für die sehr interessanten und fundierten Beiträge, die das wichtige Thema sehr facettenreich beleuchten, sowie dem Frankfurt School Verlag für die Unterstützung bei der Erstellung des Buchs. Hier sind insbesondere unsere Lektorinnen, Rebecca Hausdörfer und Simone Hoffmann, hervorzuheben.
Den Lesern wünschen wir eine interessante und anregende Lektüre. Für Anmerkungen sowie einen weiteren Gedankenaustausch stehen wir sehr gerne zur Verfügung.
Frankfurt am Main, im März 2014 Martin Faust
Stefan Scholz

I
Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsmanagement

Vom Nachhaltigen Wirtschaften als ökonomische Grundlage

Max Schön/Alexander Ebert
 
1  
Einleitung
2  
Zum Begriff Nachhaltigkeit
2.1  
Vordenker
2.2  
Nachhaltigkeit heute
3  
Warum nachhaltig gewirtschaftet werden muss
4  
Die Rolle der Unternehmen
5  
Der Konsument als treibende Kraft: Von der Konsumethik zur Wirtschaftsethik
6  
Die Chancen nachhaltigen Wirtschaftens
6.1  
Betriebswirtschaftlich
6.2  
Volkswirtschaftlich
7  
Vorreiter gesucht
8  
Ein neues Made in Germany
Literatur

1  Einleitung

Die Nennung des Wortes Nachhaltigkeit löst heutzutage gemischte Reaktionen aus. Von einigen wird Nachhaltigkeit als ein Ansatz für verantwortungsvolles und umsichtiges Handeln gesehen, mit welchem das Ideal der Vereinbarkeit erfolgreichem Wirtschaftens mit sozialen und ökologischen Aspekten erreicht werden kann. Von anderer Seite hingegen sind auch zunehmend gelangweilte oder gar abwehrende Reaktionen zu vernehmen. Hier wird argumentiert, dass Nachhaltigkeit eine reine Modeerscheinung sei, die inzwischen vom Marketing und der Werbung ausgebeutet und bald auch wieder verschwunden sein werde. Oft wird Nachhaltigkeit auch als Instrument verdächtigt, um „greenwashing“ zu betreiben und somit das Image eines Unternehmens zu polieren. Die Bandbreite der Interpretationen und jeweiligen Umsetzungen ist sehr groß – ein Zustand, der eine zielführende und sachliche Debatte erheblich erschwert. Vollends unter die Räder gerät der Begriff Nachhaltigkeit im politischen Gebrauch, wenn schon nur gering verminderte Haushaltsdefizite in der zweiten Jahreshälfte als „Nachhaltiges Wirtschaften“ bezeichnet werden. Der Begriff erodiert, je häufiger er falsch benutzt wird.
Eine substanzielle Debatte über die Notwendigkeit, die Ziele und das Potenzial einer nachhaltigen Wirtschaft ist deshalb so nötig und wichtig wie nie zuvor. Wissenschaft und Nachrichten liefern täglich neue Hinweise und Informationen darüber, dass die Grenzen der Belastbarkeit des Ökosystems überschritten werden und der Wohlstand der Industrieländer häufig durch menschenunwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen erwirtschaftet wird.
Um über die Notwendigkeit nachhaltigen Wirtschaftens sprechen und diskutieren zu können, sollte daher zuerst geklärt werden, was im Folgenden unter dem viel strapazierten Begriff „Nachhaltigkeit“ verstanden werden soll. Daran anschließend wird dargelegt werden, wodurch die dringende Notwendigkeit für konsequentes nachhaltiges Wirtschaften begründet ist. Im Anschluss wird auf die Rolle von Unternehmen und Konsumenten eingegangen und beleuchtet, in welcher Art die beiden Akteure zu einer nachhaltigen Ausrichtung der Wirtschaft beitragen können. Dabei wird deutlich werden, dass Nachhaltigkeit sowohl volkswirtschaftlich als auch für das einzelne Unternehmen nicht nur eine anspruchsvolle Herausforderung darstellt, sondern viele Chancen und positive Effekte hervorbringen kann.

2  Zum Begriff Nachhaltigkeit

2.1  Vordenker

Um das Konzept Nachhaltigkeit von einer Modeerscheinung in den Rang eines Kernthemas für Unternehmensstrategien zu erheben, ist es notwendig, an die Ursprünge des Begriffs zu erinnern. Denn nur wenn es gelingt, das Thema aus der Lifestyle-Ecke herauszuholen und die grundlegenden Ideen zu extrahieren, kann ihm auch die Bedeutung zukommen, die es angesichts der vielfältigen Probleme und Herausforderungen verdient.
Das Konzept der Nachhaltigkeit gibt es, seit die Menschheit sich produktiv und wirtschaftlich betätigt. Bleibende Zeugnisse nachhaltigen Gedankenguts sind dagegen relativ jung. In England verfasste der Autor, Architekt und Gartenbauer John Evelyn im Jahr 1664 das Buch „Sylva or a Discourse of Forest Trees and the Propagation of Timber in His Majesties Dominions“ als Reaktion auf die Sorge um die britischen Wälder. Seit 1500 wurde der einst gewaltige Waldbestand Großbritanniens rücksichtslos abgeholzt. Der Holzbedarf für den Schiffsbau, eine zunehmende Zahl von Glashütten und der Bedarf der wachsenden Bevölkerung an Feuerholz und Baumaterialien ließ die Waldvorkommen stark schrumpfen. Diese Entwicklung sorgte für Beunruhigung in Kreisen der britischen Marine, die den Rohstoff für den weiteren Ausbau der Flotte in Gefahr sah. Evelyn plädierte mit seinem Werk für eine systematische Aufforstung der Wälder und machte das Pflanzen von Bäumen zu einer nationalen Leidenschaft. Das Kernelement seiner Abhandlung war jedoch das Konzept der posterity, das Handeln und Denken im Sinne der nachfolgenden Generationen. Nur wenn eine Generation genügend Bäume pflanzt und wachsen lässt, werden auch die Nachkommen über den lebenswichtigen Rohstoff verfügen können. In Frankreich wirkte Colbert zu gleicher Zeit in ähnlicher Weise und propagierte seine Vorstellung einer „bon usage de la nature“ im Dienste einer gesicherten Rohstoffversorgung für sein merkantilistisches Wirtschaftsmodell.
Im Kern liegt hier bereits der Gedanke der Nachhaltigkeit vor, den die sogenannte Brundtland-Kommission 1987 weltweit etablierte: „Sustainable development meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“[1] Es geht also um eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.
Hans Carl von Carlowitz schließlich beschrieb 1713 seine Handlungsmaxime für eine erfolgreiche Forstwirtschaft mit den Worten: „Der Wald soll so bewirtschaftet werden, daß die Nutzung immerwährend, continuirlich und perpetuirlich stattfinden kann.“ Ganz vereinfacht gesprochen formulierte er damit den Grundsatz, dass nicht mehr Holz geschlagen werden sollte als nachwachsen kann, um eine fortwährende ertragreiche Bewirtschaftung des Forstes zu garantieren – und brachte damit den Kerngedanken der Nachhaltigkeit in Deutschland zur Sprache. Der Begriff fand seitdem immer wieder in den verschiedensten Ausprägungen und Sektoren Anwendung – und im überwiegenden Fall eben nicht als Modeerscheinung, sondern als Ausdruck weitsichtigen Handelns und wirtschaftlicher Vernunft.

2.2  Nachhaltigkeit heute

Grundsätzlich kann man sagen, dass ein System nachhaltig ist, wenn es im Gleichgewicht und auf Dauer gesund und überlebensfähig ist. Bezogen auf die Wirtschaft heißt dies, dass das System keine Verschwendung oder Übernutzung natürlicher oder wirtschaftlicher Ressourcen erzeugt und in der Lage ist, auch zukünftig Wohlstand zu erzeugen. Dabei wird dieses Gleichgewicht von der Trias Ökonomie, Ökologie und Soziales determiniert.
Die ökonomische Komponente dieser Trias ist unumstritten, auch wenn sie in mancher ideologischer Debatte droht, vernachlässigt zu werden: Ein Unternehmen ist darauf angewiesen, Gewinn zu erzielen. Wenn ein Geschäftsmodell dies auf Dauer nicht erreicht, ist es nicht überlebensfähig.
Was die soziale Dimension betrifft, geht es zum einen um unternehmerische Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern und den Teilen der Gesellschaft, die mit dem Unternehmen in Kontakt stehen. Die schrecklichen Bilder und Berichte aus Textilfabriken in Bangladesch, wo aufgrund mangelnder Baustandards Gebäude zu tödlichen Fallen für hunderte von Arbeitern wurden, oder aus chinesischen Fabriken, in denen unter unmenschlichen Bedingungen Mobiltelefone für den westlichen Markt zusammengesetzt werden, machen klar, dass dieser Aspekt unverzichtbar ist und es nötig ist, viel stärker zu agieren und Veränderungen zu bewirken. Auf der anderen Seite ist es auch ein lohnendes Unterfangen, in eine gute Aus- oder Fortbildung seiner Angestellten zu investieren, eine gute Gesundheitsversorgung und Arbeitsschutz zu garantieren. Die Zufriedenheit und die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen wird sich in diesem Fall auch wirtschaftlich auszahlen.
In der dritten Säule Ökologie geht es um die großen Herausforderungen und Probleme, denen man derzeit global gegenübersteht: Umweltverschmutzung, die grenzüberschreitend Flüsse und Meere vergiftet, gesundheitsgefährdende Luftverschmutzung in Städten und vor allem der Klimawandel, der vom Menschen durch den Ausstoß von Treibhausgasen und die Abholzung von Regenwald hervorgerufen wird.
Alleine diese kurze Aufzählung macht deutlich, dass Nachhaltigkeit keine Aufgabe ist, welche nur die einzelnen Unternehmen betrifft, sondern ein Gebot für das Handeln der gesamten Gesellschaft. Dennoch müssen sich die Wirtschaftsakteure hier der Verantwortung stellen, in ihren Unternehmen die ökologischen Auswirkungen ihres Wirtschaftens so zu gestalten, dass es dem Prinzip der Nachhaltigkeit entspricht.
Nachhaltiges Wirtschaften heißt, dass die drei Komponenten der Trias Ökonomie, Ökologie und Soziales in Einklang gebracht werden und, sich jeweils ergänzend, zu einem erfolgreichen Gesamtkonzept beitragen.

3  Warum nachhaltig gewirtschaftet werden muss

Der Mensch hat durch seine Art und Weise zu wirtschaften in bislang nicht gekanntem Maß seine Spuren auf dem Planeten hinterlassen. Die Spuren sind mithin so tief, dass er sich davon in absehbarer Zeit nicht mehr wird erholen können. Der Einfluss des Menschen auf die Umwelt und das Klima ist inzwischen so groß, dass der Nobelpreisträger Paul Josef Crutzen im Jahr 2000 das derzeitige Zeitalter als „Anthropozän“[2] betitelt hat. Der Begriff drückt aus, dass der Mensch seit ungefähr 200 Jahren global seine natürliche Umwelt zunehmend verändert. Der Klimawandel durch den konzentrierten Ausstoß von Treibhausgasen, die Veränderung großer Teile der Landoberfläche durch Nutzung durch den Menschen und die Ausbeutung der Meere sind einige der wichtigsten Veränderungen. Der Mensch ist also vom Nutznießer der Umwelt und Statisten in der bislang übermächtigen Natur zum prägenden Faktor geworden – dieser Verantwortung muss er sich stets bewusst sein.
Der unüberlegte und rücksichtslose Umgang mit der Umwelt lässt sich auch ganz plastisch ausdrücken: In diesem Jahr war der „Welterschöpfungstag“ bereits am 20. August: Die Nachfrage nach natürlichen Ressourcen hat ab diesem Tag das Angebot der Erde für das gesamte Jahr überstiegen.[3] Es wird klar, dass die Regenerationsfähigkeit des Planeten völlig überstrapaziert wird, denn Jahr für Jahr findet der „Welterschöpfungstag“ früher statt. Im Jahr 1993 noch fiel er auf den 21. Oktober.
Noch bedrohlicher als die Übernutzung natürlicher Ressourcen sind die Auswirkungen der gegenwärtigen Wirtschaftsweise auf das Klima. Trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse und politischen Absichtserklärungen werden in zunehmendem Maße Treibhausgase emittiert. Im Mai dieses Jahres hat die CO2-Konzentration in der Atmosphäre mit 400 ppm (Teilchen pro Million) ihren höchsten Wert seit 25 Mio. Jahren erreicht. Damit steigt auch weiterhin das Risiko, dass die Grenze der durchschnittlichen globalen Erwärmung von 2° C überschritten wird. Dieser Temperaturanstieg würde 20 bis 30% der Spezies mit dem Aussterben bedrohen und könnte durch Dürre, Überflutung und Ressourcenkonflikte massives Elend und Migrationsdruck verursachen. Die notwendige Anpassung würde auch ökonomisch unglaublich teuer werden und für alle mit gewaltigen Wohlstandsverlusten in der Zukunft verbunden sein.
Im fünften Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC finden sich diese bedrohlichen Tendenzen bestätigt.[4] Die Wissenschaft kann mit noch größerer Sicherheit Aussagen über den Beitrag der Menschheit zum Klimawandel machen. Wird die derzeitige Weise zu leben, Energie zu erzeugen und Güter zu produzieren weiter geführt wie bisher, ist bis zum Ende des Jahrhunderts ein Temperaturanstieg von 4,8° C möglich. Was den Anstieg des Meeresspiegels betrifft, gehen die Wissenschaftler von einem Mittelwert zwischen 20 und 80 cm je nach Emissionsentwicklung bis zum Ende des Jahrhunderts aus. Die Einflüsse globaler Veränderungen in dieser Größenordnung sind deshalb so beunruhigend, weil sie in ihren Auswirkungen nicht mehr abgeschätzt oder kalkuliert werden können. Was aber gesagt werden kann ist, dass sie zuerst und in voller Härte die ärmsten Länder treffen werden. Darunter Regionen, die auf der einen Seite am wenigsten oder gar nichts zum Eintrag von Treibhausgasen in die Atmosphäre beigetragen haben und die auf der anderen Seite über die geringsten Mittel verfügen, sich an die Veränderungen anzupassen. Das sind Länder, die bereits heute unter Dürren, Bodenerosion und Hungersnöten leiden und Staaten, die weder über die finanziellen noch die institutionellen Mittel verfügen, ihre Bevölkerung gegen einen gefährlichen Klimawandel zu schützen.
Doch auch hier in Europa und in Deutschland werden die Folgen der derzeitigen Wirtschaftsweise spürbar werden. Zunehmende Unwetter wie Stürme oder Starkregen haben bereits im vergangenen Jahrzehnt Schäden in Millionenhöhe angerichtet. Und es wäre naiv zu glauben, dass Migrationsbewegungen, politische Verwerfungen und mögliche kriegerische Auseinandersetzungen in Drittländern den Westen zukünftig nicht betreffen. Abgesehen von der moralischen Verpflichtung, die gegenüber Mitmenschen in den gefährdeten Regionen dieser Welt bestehen, gibt es also auch bedeutende wirtschaftliche und politische Gründe, entschieden gegen den Klimawandel und andere Formen der Umweltzerstörung vorzugehen.

4  Die Rolle der Unternehmen

Das alles hat den Menschen nun in die Situation gebracht, in der er erkennen muss: So können wir nicht weitermachen. Leider ist dies aber gleichzeitig auch eine Situation, in der ein jeder auf den anderen schaut und mit einem „man müsste mal...“ im altbekannten Modus weiterarbeitet. Immer öfter ertönte daher der Ruf nach der Politik, nach einer normierenden Kraft, die global ein Umsteuern erzwingen könnte. Wenn die Politik über internationale Vereinbarungen und Abkommen weltweit Regeln schaffen könnte, so die Hoffnung, dann hätten Unternehmen ein einheitliches Umfeld, in dem sie endlich nachhaltig handeln können, ohne vom Konsumenten oder der billigeren Konkurrenz abgestraft zu werden. Dann würden mit festen und verlässlichen Zielvorgaben Innovationen und kreatives Unternehmertum belohnt, nachhaltige Geschäftsmodelle könnten sich durchsetzen, und der Markt würde langsam aber stetig nachziehen. Die Wende zur Nachhaltigkeit würde so geschafft.
In der Realität muss jedoch festgestellt werden, dass die Politik nicht in der Lage ist, diese Rahmenbedingungen zu setzen. Spätestens 2012 nach der enttäuschenden Nachhaltigkeitskonferenz Rio +20 in Brasilien wurde klar, dass nicht länger auf die Politik gewartet werden darf. Fehlender politische Wille auf der einen Seite und das Beharren auf einem konventionellen und somit vermeintlich günstigen wirtschaftlichen Entwicklungspfad auf der anderen Seite führen zu einer Lage, die keine entscheidenden Impulse für ein globales Umdenken gibt. In dieser Situation nun kommt den Einzelunternehmen eine ganz besondere Rolle zu, denn Unternehmen können als einzige das derzeit bestehende Handlungsvakuum ausfüllen. Nur Unternehmen haben die Innovationskraft, das Kapital und die Expertise, Lösungen für eine zukünftige Wirtschaftsform zu finden, die eben nicht mehr auf unbegrenztem Ressourcenverbrauch, Emissionen und menschenverachtende Arbeitsbedingungen setzt.
Auch die Serie der Weltklimagipfel von Kopenhagen 2009 bis Warschau 2013 verweist auf die derzeitige Lähmung der internationalen Politik und die Unfähigkeit, in multilateralen Foren zu substanziellen Ergebnissen und Abkommen zu gelangen. Doch statt sich enttäuscht abzuwenden, sollten die richtigen Lehren daraus gezogen werden.
Es sollte berücksichtigt werden, dass keine Regierung dieser Welt eine Entscheidung treffen oder eine Verpflichtung eingehen wird, von der sie einen Nachteil für das eigene Land erwarten könnte. Dieses Muster lässt sich sowohl bei Industriestaaten als auch bei Schwellen- und Entwicklungsländern erkennen. Die USA haben, mit dem Hinweis auf befürchtete negative Auswirkungen auf die Binnenwirtschaft, das Kyoto-Protokoll nie ratifiziert. Staaten wie China oder Indien verweisen auf das nachholende Wirtschaftswachstum, das der eigenen Bevölkerung Wohlstand und Sicherheit gibt, und sind nicht bereit, diesen Wachstumspfad durch umwelt-, klima- oder sozialpolitische Verpflichtungen zu gefährden.
Mit anderen Worten: Solange es keine erfolgreichen Modelle für nachhaltiges Wirtschaften gibt, für eine klima- und umweltfreundliche Energieerzeugung und eine ressourcenschonende Produktionsweise, werden sich nur wenige Länder internationalen Verpflichtungen anschließen. Wenn man jedoch in der Lage ist, ökonomisch tragfähige Konzepte zu entwickeln und erfolgreiche Lösungen anzubieten, kann man auch diejenigen Staaten überzeugen, die sich bisher aus vermeintlichem Selbstschutz verweigert haben.
Diese Modelle für erfolgreiches nachhaltiges Wirtschaften sind auch aus einem weiteren Grund wichtig: Wir können auf zukünftiges Wachstum global nicht verzichten. Innerhalb einer einzigen Generation wird die Weltbevölkerung um 30% zunehmen. Um diese zusätzlichen 2,5 Mrd. Menschen mit genügend Wasser und Nahrung zu versorgen und ihnen ein Leben unter menschenwürdigen Bedingungen zu sichern, ist sogar ein massives materielles Wachstum nötig. In den Industrieländern sind Verhaltensmuster wie Enthaltsamkeit und bewusster Konsum sicherlich richtig und wichtig. Angesichts des Ausmaßes der erwarteten Bevölkerungszunahme reicht das aber bei Weitem nicht. Um zukünftig Wohlstand und Stabilität in allen Regionen der Welt zu sichern, muss das Wirtschaftswachstum von Umweltverschmutzung und CO2-Emissionen entkoppelt werden. Hier sind die private Wirtschaft und Unternehmerpersönlichkeiten als Vorreiter und Pioniere gefordert. Die Schaffung eines Modells einer vom Ressourcenverbrauch entkoppelten Wirtschaft ist ohne den Unternehmenssektor nicht denkbar.
Zwei determinierende Faktoren
Wenn man über die entscheidende Rolle der Unternehmen beim Umdenken und -steuern zu einer globalen nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsweise sprechen will, muss gefragt werden, wo die entsprechenden Hürden, Hebel und Chancen liegen. Dabei stehen hier zwei Faktoren im Mittelpunkt, die maßgeblich für den Umgang der Unternehmen mit dem Thema Nachhaltigkeit sind. Beide haben mit der Dimension des unternehmerischen Handelns zu tun und betreffen den räumlichen Horizont einerseits und den zeitlichen Horizont andererseits. In beiden Fällen liegen sowohl die Gründe für kurzsichtiges und nicht nachhaltiges Handeln als auch der Schlüssel zur Lösung.
a) Die räumliche Dimension: Von der Wertschöpfungskette zur Schadschöpfungskette
Mit der Globalisierung der Wirtschaft wurden zahlreiche vorgelagerte Arbeits- und Produktionsprozesse in Entwicklungs- und Schwellenländer ausgelagert. Das Outsourcing kann enorme Kostenvorteile bringen, wenn Teile der Wertschöpfung in Ländern erbracht werden, in denen die Produktion billiger, einfacher und problemloser ist. Hierbei spielen nicht nur Lohn- und Personalkosten eine Rolle; eingepreist wurden oft auch weniger strenge Arbeitsschutzvorgaben oder weiche, manchmal auch inexistente Umweltschutzgesetze. Schon bei weniger komplexen Produkten, die früher in einem Unternehmen oder gar im selben Werk entstanden, findet sich heute eine Vielzahl an Zulieferern aus verschiedenen Ländern. Je komplexer das Produkt, desto größer wird die Zahl der beteiligten Unternehmen und Dienstleister. Dies hat zwangsläufig dazu geführt, dass die Wertschöpfungsketten tiefer, komplexer und schmutziger werden. Es gibt Branchen, in denen man heutzutage mit vollem Recht von „Schadschöpfungsketten“ sprechen kann.
Die Wirtschaft der Industrieländer hat schnell gelernt, Emissionen und Verschmutzungen auszulagern und davon wirtschaftlich zu profitieren. Dabei kommt den Industriestaaten entgegen, dass auch die ärmeren Länder im globalen Wettbewerb um Investitionen und Arbeitsplätze stehen. Die Regierungen vor Ort stehen unter Druck, günstige Investitionsbedingungen zu schaffen und für ausländische Unternehmen attraktiv zu werden. Schwache institutionelle Ausgestaltung und Korruption kommen in vielen Fällen erschwerend hinzu. Dies kann zu Umständen führen, die aus europäischer Sicht unhaltbar wären – als Produktionsstandort jedoch gute Rahmenbedingungen bieten. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist, dass sich die Wertschöpfung, die vor Ort stattfindet, den westlichen ethischen und legalen Standards entzieht.
Hier liegt ein möglicher, ganz entscheidender Ansatzpunkt für das Wirken verantwortungsbewusster Unternehmen. Die Kontrolle der Wertschöpfung darf sich nicht länger nur auf die letzte Produktionsstufe beziehen, auf das sichtbare Ende eines komplexen Produktionsprozesses. Unternehmen müssen bereit sein, Verantwortung für die gesamte Wertschöpfungskette zu übernehmen. Es steht außer Frage, dass dies ein komplexer, aufwändiger und arbeitsintensiver Prozess ist. Doch solange die sozialen Fehlstellungen und brachliegenden ökologischen Potenziale der derzeitigen Wertschöpfungskette nicht angegangen werden, kann die Wirtschaft nicht als nachhaltig bezeichnet werden.
Und es gibt gute Beispiele von Unternehmen, die sich dieser anspruchsvollen Aufgabe angenommen haben, wie z.B. die Unternehmen Otto Group, Puma, Tchibo und Werner & Mertz GmbH (Frosch).
b) Die zeitliche Dimension: Kurzfristiges Quartalsdenken
Der zweite Aspekt ist der zeitliche Handlungshorizont der Unternehmen. Die Vorstände vieler Unternehmen stehen unter großem Druck, den Investoren, Aktionären oder Gläubigern in regelmäßigem Abstand kurzfristig positive Ergebnisse vorzulegen. Aktivitäten, welche die Nachhaltigkeit der Unternehmen verbessern, oder Investitionen in klimafreundliche Technologie oder Produktionsweisen können sich im kurzen Takt der anstehenden Unternehmensberichte nur selten amortisieren. Der Handlungsspielraum vieler Unternehmen und Vorstände ist daher von Erwartungen und Verpflichtungen eingeschränkt. Selbst wenn im Vorstand der Wille vorherrscht, nachhaltiger zu werden und einen Umdenkprozess im Unternehmen einzuleiten, können die Erwartungen der Shareholder und Investoren dem entgegenwirken. Auch Bonusstrukturen, die nicht den langfristigen Erfolg eines Unternehmens oder einer Investition honorieren, sondern auf den kurzfristigen Erfolg abstellen, tragen nicht dazu bei, die Unternehmen nachhaltiger zu gestalten.
Inhabergeführte Betriebe oder Familienunternehmen haben in dieser Hinsicht oft größere Freiheiten und setzen in zahlreichen Fällen konsequent ihre Vorstellung von nachhaltigem Wirtschaften um. Dies sind oft inspirierende und bewundernswerte Ansätze. Doch solange das unternehmerische Denken von Aktionären und Investoren nicht grundsätzlich um eine mittelfristige oder gar langfristige Perspektive für die Nachhaltigkeit erweitert worden ist, wird es keinen entscheidenden Schritt in Richtung Nachhaltigkeit geben. Dies beginnt bei der Verzinsungserwartung der Aktionäre und reicht über mehrjährige Berichterstattung bis hin zu den Bonussystemen für Führungskräfte im Unternehmen.

5  Der Konsument als treibende Kraft: Von der Konsumethik zur Wirtschaftsethik

Verantwortungsbewusstes und nachhaltiges Wirtschaften kann auf Dauer nur Erfolg haben, wenn Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle im Markt angenommen werden. Der Konsument ist hierbei also die kritische Größe, an der sich auch der Erfolg von Nachhaltigkeit messen lassen muss. Bislang bestand das Problem, dass Unternehmen oft befürchteten, der Markt honoriere Nachhaltigkeit und Umweltschutz nicht ausreichend. In den letzten Jahren mehren sich allerdings die Anzeichen dafür, dass auf Konsumentenseite die Bereitschaft steigt, für nachhaltige Produkte mehr Geld auszugeben. Zum ersten Mal erklärten laut einer Studie der Otto Group mit 56% mehr als die Hälfte der befragten Verbraucher, häufig ethisch korrekt hergestellte Produkte zu kaufen. Dabei wird für diese Produkte auch ein höherer Preis in Kauf genommen. 46% der Befragten bestätigten, mehr Geld für ethisch korrekte Produkte ausgegeben zu haben als vor ein bis zwei Jahren. Für 49% sind diese Ausgaben gleich geblieben, lediglich 4% gaben an, weniger Ausgaben für ethische Produkte getätigt zu haben.[5]
Diese Daten lassen ein gewachsenes Konsumethos erkennen, in welchem der Wert von Nachhaltigkeit auf Konsumentenseite angenommen wird und sich in wachsender Bereitschaft niederschlägt, auch entsprechende Mehrausgaben zu akzeptieren. Dies ist eine erfreuliche und wichtige Tendenz, denn es verdeutlicht, dass ethisch und ökologisch korrekte Produkte ihren Markt gefunden haben und auch ökonomisch tragfähig sein können. Diesen Impuls der Verbraucher sollten die Unternehmen nun aufgreifen und weiter entwickeln. Mit wachsendem wirtschaftlichem Erfolg könnte somit der wichtige Schritt vom Konsumethos zu einem ganzheitliches Wirtschaftsethos gelingen.

6  Die Chancen nachhaltigen Wirtschaftens

6.1  Betriebswirtschaftlich

Es ist auf die Verantwortung von Unternehmen verwiesen worden, die sie aufgrund ihrer besonderen Rolle gegenüber den dringlichen Herausforderungen Umwelt- und Klimaschutz sowie ethisch korrekten Wirtschaftens haben. Und es wurde ersichtlich, dass die Gesellschaft über ihre Einstellung zu bewusstem Konsum die Tür für weitere Schritte der Unternehmen hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise öffnet.
Im Zusammenspiel dieser beiden Faktoren liegt für die Wirtschaft enormes Potenzial. Glaubwürdige und transparente Nachhaltigkeitsstrategien bieten den Unternehmen die Möglichkeit, langfristig nicht nur ökologisch sondern auch ökonomisch zu profitieren.
Man muss in diesem Zusammenhang ehrlich sein: Nachhaltiges Wirtschaften und Klimaschutz kosten Geld, können sehr mühsame Vorhaben sein und sind in den meisten Fällen nicht reibungslos oder gar in kurzer Zeit zu erreichen. Mithin wird in dieser Debatte ein Tenor bemüht, der allzu einseitig die wirtschaftlichen Potenziale betont. Eine ernsthafte Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln, umzusetzen und im Unternehmen zu etablieren, ist keine leichte Aufgabe.
Dennoch gibt es eine Vielzahl von Ansätzen, wie Unternehmen von einer nachhaltigen Ausrichtung profitieren können. Es soll an dieser Stelle keine Aufzählung von Erfolgsgeschichten nachhaltiger Unternehmen geleistet werden, da jeder Fall in sich doch sehr unterschiedlich ist und jeweils spezifischen Umständen unterliegt. Nichtsdestotrotz sei in diesem Zusammenhang ein kurzer schematischer Überblick über die Felder erlaubt, in denen Unternehmen mit Nachhaltigkeit ökonomisch profitieren können.
Über Effizienzmaßnahmen beim Energie- oder Rohstoffverbrauch können in einem ersten Schritt oft relativ kurzfristige Amortisierungen der Betriebskosten erreicht werden. Ein weiterer Schritt ist die Entwicklung und Herstellung von Produkten, die es auch den Käufern erlauben, Energieverbrauch, Rohstoffbedarf und Müll zu reduzieren.
Wesentlich komplexer ist die Erschließung neuer Absatzmärkte und Kundengruppen, die aufgrund gesellschaftlicher oder politischer Entwicklungen entstehen. Hier liegt der Schlüssel zum Erfolg vor allem in der Bereitschaft und der Fähigkeit, flexibel auf diese Veränderungen zu reagieren. Dies setzt voraus, dass im Unternehmen bereits ein Bestand an Bewusstsein und Wissen zum Thema Nachhaltigkeit geschaffen wurde.
Die größte Herausforderung liegt allerdings im Aufbau gänzlich neuer Geschäftsmodelle, welche die sich wandelnden Nachfragestrukturen und Bedürfnisse aufgreifen und innovativ umsetzen. Ein gutes Beispiel hierfür sind die zunehmenden „sharing“-Modelle, in welchen nur der Nutzen eines Produktes erworben oder mit anderen geteilt wird. Unternehmen, die Car- oder Bikesharing anbieten, sind heute bereits erfolgreich am Markt.
Im industriellen Maßstab gibt es bereits seit längerem erfolgreiche Anbieter im Bau- und Spezialmaschinenverleih. Die nächste Stufe einer solchen Entwicklung wäre die Wandlung von einer Besitz- zur Nutzenwirtschaft. Käufer und Produzent finden sich hierbei in einem neuen Verhältnis wieder.[6] Der Konsument erwirbt den Nutzen an einem Produkt, das er nach gegebener Zeit wieder an den Produzenten zurückgibt. Dieser bleibt Eigentümer der im Produkt verarbeiteten Rohstoffe, die er im Anschluss wiederverwerten kann.
Die Integration von Nachhaltigkeit in das unternehmerische Handeln und Denken kann sich aber auch auf ganz andere Weise positiv auswirken: Unternehmen, die umweltfreundlich und nach ethischen Kriterien produzieren, sind wesentlich weniger anfällig für regulatorische Risiken, die in den meisten Fällen ja auf einen Mindest- oder Durchschnittsstandard abstellen. Regulierungen und ordnungsrechtliche Vorgaben werden von nachhaltig handelnden Unternehmen oft implizit antizipiert und verschaffen im gegebenen Fall gleichzeitig Wettbewerbsvorteile gegenüber weniger vorbereiteten Wettbewerbern.
Investitionen in Arbeitssicherheit, Bildung und soziale Absicherung von Mitarbeitern sind gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern mit niedrigen Sozialstandards ein Trumpf im Wettbewerb um gutes Personal, tragen zu einer motivierten Belegschaft bei und bieten Schutz vor Streik und Reputationsverlusten bei arbeitsrechtlichen Konflikten.

6.2  Volkswirtschaftlich

Nachhaltiges Wirtschaften trägt selbstverständlich nicht nur auf betrieblicher Ebene Früchte. Gerade auf volkswirtschaftlicher Ebene können durch verantwortungsvolles Wirtschaften enorme Kosten vermieden und somit Ressourcen an anderer Stelle sinnvoller und produktiver eingesetzt werden. Dies betrifft in erster Linie die Kosten für Umweltschäden und Anpassungsleistungen, die bislang von den Unternehmen externalisiert und somit der Gesellschaft auferlegt werden. So sind beispielsweise Maßnahmen, die Menschen vor den Auswirkungen des gefährlichen Klimawandels schützen, der Verlust wertvoller Biosphäre oder Gesundheitsschäden durch Luftverschmutzung alles relevante Kostenfaktoren, für welche die Gesellschaft aufkommen muss, und die vermieden werden könnten.
Doch es ist nötig zu lernen, nachhaltige Konzepte auch nach ihrem gestalterischen Potenzial zu beurteilen. Ein Beispiel: In der EU findet derzeit eine kontroverse Diskussion über den Umgang mit der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise statt. Es gibt Stimmen, die betonen, dass man sich erst um Klima- und Umweltthemen kümmern dürfe, wenn die EU wieder auf einem stabilen Wachstumspfad ist. Die hier vertretene Nachrangigkeit von Klimaschutz und Nachhaltigkeit ist sowohl ethisch wie auch volkswirtschaftlich nicht akzeptabel. Denn das Potenzial von Investitionen in eine „Green Economy“ gerade als Treiber wirtschaftlicher Prosperität ist enorm und inzwischen vielerorts anerkannt.[7]
In der Green Growth Group haben sich 13 Minister der Europäischen Union zusammengefunden und legen das enorme Konjunktur- und Wohlstandspotenzial einer europäischen Green-Growth-Strategie dar.[8] Sie sehen die Schaffung langfristiger zuverlässiger Rahmenbedingungen und verbindlicher Ziele als den besten Weg, um Investitionen privaten Kapitals in Technologien für Energieeffizienz und klimafreundliche Energieerzeugung zu kanalisieren. Zu ähnlich positiven Ergebnissen kommt eine Studie internationaler Ökonomen, die vom Bundesumweltministerium in Auftrag gegeben wurde. Unter anderem könnte die Anhebung des CO2-Vermeidungsziels der EU für 2020 von -20% auf -30% das Wirtschaftswachstum in Europa um bis zu 0,6% pro Jahr erhöhen, bis zu 6 Mio. neue Arbeitsplätze schaffen und das BIP der EU bis 2020 um bis zu 6% steigern.[9]
Um solche komplexen Strategien erfolgreich umzusetzen, bedarf es einer klaren Konzeption, einer verlässlichen Koordination und eines transparenten Zusammenspiels der Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. In Deutschland gibt es gute strukturelle Ansätze hierfür, dies wurde erst kürzlich von internationalen Experten bestätigt, die die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie in einer Peer Review untersucht haben.[10] Es mangelt Deutschland nicht an formulierten Zielen und Gesetzen, sondern an der notwendigen Koordination und der so wichtigen Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ebenen und Teilhabern. Insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft ist mangelhaft.

7  Vorreiter gesucht

Die Welt braucht dringend mehr Pioniere, die als Vorreiter Wege bahnen und als Vorbilder andere zu Verhaltensänderungen anreizen. Auch hier können progressive Unternehmen einen sehr wichtigen Beitrag leisten und die Zusammenarbeit, das Verständnis und nicht zuletzt Vertrauen zwischen den maßgeblichen Kräften stärken. Oft benötigt eine politische Idee die Unterstützung von Unternehmen, um zu einem Konzept zu reifen, das im täglichen Wettstreit einer Demokratie erst dann umsetzbar wird.
Es soll hier illustrierend eine Gruppe von besonderen Unternehmern und Vorständen angeführt werden, die genau diesen Schritt gegangen sind und sich als Anwalt und Ansprechpartner für Politik und Wissenschaft im Bereich Klimaschutz konsolidiert haben. In der Stiftung 2° haben sich zehn Unternehmen gebündelt, um die Politik bei den Strukturen für effektiven marktwirtschaftlichen Klimaschutz zu unterstützen und zu beraten. Dabei kommen die Unterstützer der Stiftung aus den verschiedensten Sektoren und sind jeweils in höchst unterschiedlicher Weise von Klimawandel und klimapolitischer Regulierung betroffen. Sie alle eint jedoch das Ziel, als „die andere Stimme der deutschen Wirtschaft“ zur Vermeidung eines gefährlichen Klimawandels beizutragen, indem sie eine fordernde, aber konstruktive Rolle im Dialog mit Politik und weiteren Unternehmen ausfüllt.
Eine andere Gruppe von Unternehmern, die Lobbyarbeit für ökologisch orientiertes Wirtschaften und die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen betreiben, ist der Bundesverband der grünen Wirtschaft UnternehmensGrün e.V. Das Themenspektrum ist hier breiter aufgespannt und beinhaltet auch soziale Fragen der gegenwärtigen Wirtschaftsweise. Aber auch in diesem Zusammenschluss sehen sich Unternehmer als Vorreiter und wollen als Vermittler und Katalysator einer nachhaltigen Wirtschaft wirken. Auch in der Initiative „Biodiversity in Good Company“ haben sich branchenübergreifend Unternehmen zusammengeschlossen, um sich für den Schutz der biologischen Vielfalt einzusetzen und haben sich dazu verpflichtet, den Schutz der Biodiversität in ihre Nachhaltigkeitsstrategie und das betriebliche Management zu integrieren.

8  Ein neues Made in Germany

Unternehmen haben unbestreitbar eine große Gestaltungsmacht in der Gesellschaft und sie können einen beträchtlichen Einfluss auf die Politik ausüben. Aus diesem Grund sollten weitsichtige und verantwortungsvolle Unternehmer die Chancen zur Schaffung eines nachhaltigen Bewusstseins nutzen, die im Zusammenspiel mit eben diesen beiden Kräften liegen. Es wurde zum einen sichtbar, dass Konsumenten zunehmend positiv auf ethisch korrekte und umweltfreundliche Produkte reagieren und bereit sind, auch höhere Preise für nachhaltige Produkte auszugeben. Wenn also die Impulse der Konsumenten aufgenommen und, idealerweise im Dialog mit ihnen, weiter entwickelt werden, kann ein robuster und attraktiver Markt für nachhaltige Produkte weiter ausgebaut werden. Ferner erleben wir, dass progressive Unternehmen die Rolle des Lobbyisten nachhaltiger Interessen nicht mehr anderen überlassen wollen und sich mit klarem Profil erfolgreich für die Schaffung der nötigen Rahmenbedingungen für eine ökologische und sozial verantwortliche Wirtschaft einsetzen.
Natürlich bedarf es einer noch viel größeren Anzahl solcher Vorreiter und ihrer Unternehmen, um den großen Schritt oder die vielzitierte „große Transformation“ zu meistern. Aber neben den „Überzeugungstätern“ in den Vorständen und Familienunternehmen wird sich zwangsläufig auch bei anderen Managern die Erkenntnis durchsetzen, dass hier ein Markt entsteht, der herausgewachsen ist aus den ursprünglichen Öko und Bio-Kreisen und bereits heute ganz unterschiedliche Teile der Gesellschaft umfasst.
Um das Thema nicht nur auf Deutschland zu beschränken, könnte als Vision einer wirklich nachhaltigen deutschen Wirtschaft ein neues „Made in Germany“ als Leitbild der Volkswirtschaft entstehen. Ein Made in Germany, das nicht mehr nur als Gütesiegel für Qualität und Langlebigkeit bekannt ist, sondern auch für Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit und das somit für Verantwortung steht.
Zum einen würde dieses Markenzeichen ausdrücken, dass die Produkte zu hohen und nachvollziehbaren Nachhaltigkeitsstandards produziert wurden. Zum anderen könnten Umweltverschmutzung, CO2-Minderungen und unethische Arbeitsbedingungen in der globalen Wertschöpfungskette in kooperativer Weise von deutschen Unternehmen und ihren internationalen Zulieferern gemeinsam gelöst werden. Deutschland wäre somit nicht nur Exporteur nachhaltiger Produkte sondern auch Lieferant von Nachhaltigkeit an sich.

Literatur

Commission Staff Working Document: Exploiting the employment potential for green growth, http://ec.europa.eu/commission_2010-2014/hedegaard/headlines/docs/swd_2012_04_18_en.pdf.
Crutzen, Paul Josef/Stoermer, Eugene F., (2000): The Anthropocene, IGBP's Global Change magazine (Newsletter 41), S. 17-18.
Earth Overshoot Day 2013, Around the World, Global Footprint Network, http://www.footprintnetwork.org/en/index.php/GFN/blog/earth_overshoot_day_2013_around_the_world.
Empfehlungen des Rates für Nachhaltige Entwicklung an die Bundesregierung, https://www.nachhaltigkeitsrat.de/uploads/media/RNE_Rohstoffland_Deutschland_texte_Nr_39_Juni_2011.pdf.
IPCC, (2013): Summary for Policymakers, in: Stocker, T.F. et al. (Hg.): Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge University Press, Cambridge, http://www.climatechange2013.org/images/uploads/WGI_AR5_SPM_brochure.pdf.
Jaeger, Carlo et al., (2011): A New Growth Path for Europe – Generating Prosperity and Jobs in the Low-Carbon Economy, commissioned by the German Federal Ministry for the Environment, Nature Conservation and Nuclear Safety, http://www.newgrowthpath.eu/wp-content/uploads/2011/06/A_New_Growth_Path_for_Europe__Final_Report.pdf, S. 5 ff.
Otto (GmbH & Co KG), (2013): Otto Group Trendstudie 2013, 4. Studie zum ethischen Konsum, http://www.ottogroup.com/media/docs/de/trendstudie/1_Otto_Group_Trendstudie_2013.pdf.
Rat für Nachhaltige Entwicklung, (2013): Sustainability – Made in Germany.
Rat für Nachhaltige Entwicklung, (2011): Wie Deutschland zum Rohstoffland wird.
The Green Growth Group: Going for Green Growth, the case for ambitious and immediate EU low carbon action, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/253029/Green_Growth_Group_Joint_Pamphlet.pdf.
The Second Review by a Group of International Peers, commissioned by the German Federal Chancellery, http://www.nachhaltigkeitsrat.de/uploads/media/20130925_Peer_Review_Sustainability_Germany_2013_02.pdf.
UN, (1987): Report of the World Commission on Environment and Development: Our Common Future, http://www.un-documents.net/our-common-future.pdf.

Fußnoten:
[1] UN (1987): Report of the World Commission on Environment and Development: Our Common Future, http://www.un-documents.net/our-common-future.pdf.
[2] Crutzen, Paul Josef/Stoermer, Eugene F, (2000), The Anthropocene, IGBP's Global Change magazine (Newsletter 41), S. 17-18.
[3] Earth Overshoot Day 2013, Around the World, Global Footprint Network, available at: http://www.footprintnetwork.org/en/index.php/GFN/blog/earth_overshoot_day_2013_around_the_world.
[4] Vgl z.B. IPCC (2013): Summary for Policymakers. In: Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Stocker, T.F., D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S. K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex and P.M. Midgley (eds.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, available at: http://www.climatechange2013.org/images/uploads/WGI_AR5_SPM_brochure.pdf.
[5] Otto (GmbH & Co. KG), (2013): Otto Group Trendstudie 2013, 4. Studie zum ethischen Konsum: http://www.ottogroup.com/media/docs/de/trendstudie/1_Otto_Group_Trendstudie_2013.pdf.
[6] Rat für Nachhaltige Entwicklung (2011): Wie Deutschland zum Rohstoffland wird – Empfehlungen des Rates für Nachhaltige Entwicklung an die Bundesregierung: https://www.nachhaltigkeitsrat.de/uploads/media/RNE_Rohstoffland_Deutschland_texte_Nr_39_Juni_2011.pdf.
[7] Vgl. COMMISSION STAFF WORKING DOCUMENT, Exploiting the employment potential for green growth, available at: http://ec.europa.eu/commission_2010-2014/hedegaard/headlines/docs/swd_2012_04_18_en.pdf.
[8] The Green Growth Group: Going for Green Growth, The case for ambitious and immediate EU low carbon action, available at: https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/253029/Green_Growth_Group_Joint_Pamphlet.pdf.
[9] http://www.newgrowthpath.eu/wp-content/uploads/2011/06/A_New_Growth_Path_for_Europe__Final_Report.pdf
[10] Rat für Nachhaltige Entwicklung, (2013): Sustainability – Made in Germany.
The Second Review by a Group of International Peers, commissioned by the German Federal Chancellery, availabe at: http://www.nachhaltigkeitsrat.de/uploads/media/20130925_Peer_Review_Sustainability_Germany_2013_02.pdf.