Christoph Schalast (Hg.)

Aktuelle Aspekte
des M&A-Geschäftes

 
Jahrbuch 2014
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ISBN 978-3-95647-021-9 (Print)
ISBN 978-3-95647-022-6 (PDF)
ISBN 978-3-95647-023-3 (ePub)
ISBN 978-3-95647-024-0 (Mobi)
1. Auflage 2014  © Frankfurt School Verlag GmbH, Sonnemannstraße 9-11, 60314 Frankfurt am Main

Inhaltsverzeichnis

Vorwort
Die 7. M&A Welle kommt bestimmt
Christoph Schalast
M&A unter den aktuellen Marktbedingungen
Thomas Meyding/Tobias Grau
Compliance und Governance im Rahmen von M&A-Aktivitäten
Gabriel Andras/Thomas Kirstan
Bedeutung einer Cultural Due Diligence als kritischer Erfolgsfaktor im Rahmen einer Unternehmensakquisition – eine Analyse unter Berücksichtigung relevanter psychologischer Aspekte
Christiane Brenner
Family Offices als Investorengruppe wachsender Bedeutung – Mode oder Trend?
Yvonne Brückner
Auswirkung neuer Eigenkapitalunterlegungsvorschriften unter Basel III auf die Bewertung von Banken
Arne Hawly
Post-M&A-Disputes – Eine neue Herausforderung für die M&A-Praxis
Florian Kästle
Das „Telekom III“-Urteil des BGH (II ZR 141/09) und dessen Folgen
Christoph Wildmoser
Mittelstandsanleihen – eine empirische Analyse der Erfolgsfaktoren zur Platzierung
Dunya Heß
Distressed Debt Funds – Vultures or Value Creators?
Daniel Drummer
SE und grenzüberschreitende Verschmelzung – Fluchthelfer aus der Mitbestimmung im Mittelstand?
Daniel Bischoff
Chinesische Investments in Deutschland bei Inkrafttreten des 12. Fünfjahresplans
Robin Lawless
Autorenverzeichnis

Vorwort

Fast schon traditionell trifft sich seit 2007 – immer Ende September – die M&A-Community an der Frankfurt School of Finance & Management (FS) zur Standortbestimmung sowie Diskussion aktueller Themen, zuletzt etwa Post Merger Disputes, M&A in Emerging Markets oder Family Equity. Dabei weist die Konferenz eine Besonderheit auf, die sie von Veranstaltungen mit ähnlichem Label klar unterscheidet: Im Mittelpunkt steht die Vorstellung der besten Master-Thesen des M&A-Studiengangs der Frankfurt School. Ein Jahr später – 2008 – wurde dann das Jahrbuch „Aktuelle Aspekte des M&A-Geschäftes“ ins Leben gerufen. In ihm werden interessante Vorträge der M&A-Private-Equity-Konferenz sowie hervorragende Master-Thesen – für die Veröffentlichung in der Regel gekürzt – publiziert. Dabei ist uns bewusst: M&A ist ein Praxisphänomen und es wird durch die Praxis geprägt. Nichtsdestotrotz enthebt uns dies nicht der Aufgabe, dieses Phänomen wissenschaftlich zu betrachten. Die nachfolgend veröffentlichten Beiträge haben dieses Ziel und wollen so insgesamt die Diskussion um M&A in Deutschland und darüber hinaus befruchten. Jeder Autor ist für seinen Beitrag allein verantwortlich und wir freuen uns über Ihre Reaktionen!
Frankfurt, im September 2014 Christoph Schalast

Die 7. M&A Welle kommt bestimmt

Christoph Schalast
 
1  
Das Treffen der Schlangenbeschwörer
2  
Rückkehr der Megadeals
3  
Neue Trends: Post Merger Disputes, Distressed M&A, Family Equity etc.
4  
Vor der Welle oder bereits überrollt?
5  
Ausblick

1  Das Treffen der Schlangenbeschwörer

Ende September trifft sich die M&A-Community an der Frankfurt School of Finance & Management und fast schon traditionell steht am Anfang der Veranstaltung ein Rückblick auf die vergangenen 12 Monate – im M&A-Markt seit einigen Jahren meist eine Seitwärtsbewegung. Dies ist dann der Zeitpunkt, wenn die „Schlangenbeschwörer“ ins Spiel kommen und ihre Prognosen für die nächsten 12 Monate verkünden. Trotz einer beeindruckenden Reihe von aktuellen Megadeals mit Verizon an der Spitze stellte Andreas Nick, ehemals M&A-Chef Sal. Oppenheim und neu gewählter Bundestagsabgeordneter, in den Raum, ob nicht die üblichen Verdächtigen den Markt wieder einmal größer und schöner reden als er tatsächlich ist. Zumindest im September 2013 war jedenfalls das Marktvolumen noch erheblich von den alten Glanzzeiten, insbesondere dem Frühjahr 2007, entfernt. Die entscheidende Frage, die letztlich offen blieb, war, ob die angekündigten Milliardentransaktionen tatsächlich Eisbrecherfunktion haben würden.
Doch auch andere wichtige und neue Themen wurden besprochen, so insbesondere die altbekannte Thematik BRIC – dieses Mal mit einem Schwerpunkt Brasilien –, die neue Tendenz Family Equity sowie die zunehmende Tendenz von Post Merger Disputes. All dies sind Themen, die uns in den letzten 12 Monaten beschäftigt haben und weiter beschäftigen werden. Nachfolgend soll nun ein Rückblick auf die Themen der letztjährigen Konferenz gewagt werden, verbunden mit der Frage: Hat die 7. M&A-Welle begonnen?

2  Rückkehr der Megadeals[1]

Nach dem Ende der 6. M&A-Welle im Sommer 2007[2] hat sich die Öffentlichkeit weniger mit strategischen – von Investorenphantasien getragenen – zukunftsweisenden Großtransaktionen, sondern mehr mit Rettungspaketen für Banken und Staaten beschäftigt – doch das Blatt scheint sich nunmehr zu wenden. In Deutschland, Europa und den USA, aber auch in zahlreichen Schwellenländern wurden im letzten Jahr eine Reihe von spektakulären Großtransaktionen, wie etwa der Zusammenschluss von Telefonica (O 2) und E-Plus, nach (kurzem) Bieterwettbewerb der Merger Vodafone/Kabel Deutschland, die Übernahmen von Virgin Media und Heinz und nicht zu vergessen das Gerangel um Dell, angekündigt. Hinzu kommen spektakuläre Takeover wie Alstom und ASTRA-Zeneca mit aller – auch publizistischer – Dramatik, die dazu gehört.
Doch was sind Megadeals und warum sind sie für das M&A-Geschehen so wichtig? Vor der Finanzkrise sprach man von Megadeals bei einem Transaktionsvolumen von über 1 Mrd. – nach der Finanzkrise konnte es auch etwas weniger sein – die Untergrenze sank auf ca. die Hälfte. Wichtig sind solche Großtransaktionen zunächst, um das M&A-Volumen in den betroffenen Märkten und weltweit nach oben zu bringen, das macht sich in der Statistik gut und verschleiert teilweise ein wenig (ein gutes Beispiel ist hierfür ist 2012), dass der Markt insgesamt eher schwächelt.
Hervorzuheben ist weiter, dass Großtransaktionen oft für einen Markttrend stehen, so war die 6. M&A-Welle von 2004 bis 2007 vor allem durch Finanzinvestoren und ihren „Dealhunger“ geprägt. Dabei benötigen Megadeals ein insgesamt positives Umfeld, das heißt ausreichend Marktliquidität, einen Anstieg der Börsenkurse und günstige ökonomische Rahmenbedingungen. Die beiden erstgenannten Faktoren sind derzeit vorhanden, doch das unregelmäßige Aufflackern der Finanz- und Euroschuldenkrise in Südeuropa sowie juristische Unsicherheiten, etwa über die Beurteilung der für den Markt wichtigen EZB-Politik durch das Bundesverfassungsgericht, führen zu Unwägbarkeiten. In einer solchen Situation sind Milliardendeals vor allem psychologisch wichtig.
Doch wenn Deutsche an Großtranskationen denken, dann fällt ihnen als Erstes Daimler Benz/Chrysler ein. Keine gute Erinnerung! Dahinter steht die – durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen untermauerte Befürchtung – dass Milliardendeals für die Aktionäre des Käufers eher unerfreulich sind. Besonders auffällig ist dabei, dass im Vorfeld identifizierte Synergien später nicht gehoben werden und eine nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes daher nicht erzielt werden konnte.
Nichtdestotrotz können Megadeals eine wichtige industriepolitische Funktion im Hinblick auf die Konsolidierung und Entwicklung von Märkten erfüllen. Das perfekte Beispiel hierfür ist der Mobilfunk- und Breitbandkabelmarkt, wo derzeit spannende Projekte zu beobachten sind: der Zusammenschluss von O 2 und E-Plus sowie der Takeover von Kabel Deutschland durch Vodafone. Die dahinter stehende Transaktionslogik verdeutlicht, wie die Telekommunikationsmärkte – nicht nur in Deutschland – zusammenwachsen könnten.[3] Des Weiteren kündigt sich der endgültige Abschied der Finanzinvestoren aus dem Breitbandkabelmarkt an, den sie nach dem vom Bundeskartellamt verhinderten Einstieg von Liberty Media im Jahr 2002 für den Rest des Jahrzehntes beherrschten.
Doch auch andere Trends konnten in den letzten Monaten festgestellt werden. So war etwa eine signifikante Zunahme von Aktivitäten aus den BRIC-Staaten zu konstatieren, insbesondere in dem Bereich Automotive und der Pharmamarkt scheint in eine Konsolidierungsphase einzutreten.[4] Insgesamt ist also ausreichend Potenzial für eine neue Welle vorhanden, aber ist auch Volumen da?

3  Neue Trends: Post Merger Disputes, Distressed M&A, Family Equity etc.

Doch unabhängig von der Frage, welche Logik und welche Umstände eine mögliche 7. M&A-Welle bestimmen werden, gibt es eine Reihe von aktuellen Entwicklungen, die unabhängig von einer solchen industrie- oder finanzinspirierter Logik den Markt prägen werden. Auf der letztjährigen Konferenz haben wir u.a. die zunehmende Tendenz zu Post Merger Disputes, seien es außergerichtliche Verhandlungen, Gerichts- oder Schiedsverfahren und Family Equity diskutiert.[5] Ein zunehmend wichtiges Thema ist auch Distressed M&A sowie Family Equity.
Beispielhaft für Post Merger Disputes ist der Fall des TV-Herstellers Loewe. Im März 2014 ist das lange Tauziehen um das deutsche Traditionsunternehmen zumindest vorläufig gut ausgegangen. Ein Münchener Private Equity Investor, Stargate Capital, hat dem unter Eigenverwaltung stehenden Unternehmen erhebliche Kapitalspritzen zugesagt und will den Produktionsstandort weitgehend in Deutschland erhalten. Noch vor einem Monat waren allerdings die Aussichten nicht so gut. Damals war eine bereits angekündigte Transaktion mit der Panthera-Gruppe kurzfristig abgesagt worden. So etwas passiert häufig, selten dringt es dagegen in die Öffentlichkeit. Interessant sind in diesem Zusammenhang die gegenseitigen Schuldzuweisungen sowie die Androhungen von Seiten des Loewe-Managements wegen des geplatzten Deals Erfüllungs- bzw. Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Eine Erfüllungsklage, bei der – Erfolg vorausgesetzt – bis zur Rechtskraft mehrere Jahre vergehen, verspricht bei einem Unternehmen in Insolvenz wenig Perspektiven. Anders sieht es dagegen bei Schadenersatzansprüchen aus. Insoweit dokumentiert der Fall Loewe eindringlich, welche Bedeutung Post Merger Disputes beziehungsweise im Falle Loewe Pre Merger Disputes inzwischen erhalten haben.
Hintergrund des beschriebenen Sachverhalts ist, was viele der am Transaktionsmarkt Beteiligten schon seit Langem bemerkt haben: Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien nach Signing bzw. Closing nehmen zu. Und die Ursachen hierfür sind vielfältig, meist sind sie angelegt im Unternehmenskaufvertrag. Zu nennen sind zunächst die in der Finanzkrise populärer gewordenen Kaufpreisanpassungsklauseln sowie Earn-Out-Strukturen. Auch wenn man sich auf eine Methode der Unternehmensbewertung, sei es Substanzwert, Ertragswert oder Discounted Cash Flow geeinigt hat, gibt es doch vielfältige Möglichkeiten, diese zu beeinflussen. Gerade bei Earn-Out-Strukturen kommt hinzu, dass nach dem Closing der Informationsfluss vom Käufer gesteuert wird. Wenn nicht mit klaren Begriffen und Abläufen gearbeitet wird, ist dies ein gutes Einfallstor für eine streitige Auseinandersetzung. Gegebenenfalls ist es sinnvoll, sich gleich auf einen bestimmten Gutachter zu einigen.
Hinzu kommt ein Faktor, der bereits seit Jahren bekannt ist: Bei vielen Käufern stellt sich alsbald nach dem Closing-Dinner und den entsprechenden Pressemitteilungen eine gewisse Kaufreue ein, z.B. weil die im Vorfeld berechneten Synergien nicht bzw. nicht im vorgesehenen Zeitraum umgesetzt werden können. Gerade bei Unternehmenskäufen durch strategische Investoren dokumentieren Studien immer wieder, dass mehr Transaktionen unter ökonomischen Gesichtspunkten scheitern, als dass sie erfolgreich sind. Auch insoweit können im Vertrag angelegte Kaufpreisanpassungsmechanismen ein Einfallstor für eine nachträgliche Kaufpreisreduktion sein. Hinzu kommt, dass es nicht mehr als Makel geht, sich nach einer Transaktion gerichtlich oder außergerichtlich zu streiten, dieses in der Vergangenheit geltende unausgesprochene Gentleman Agreement ist nicht mehr in Kraft.
Das nächste wichtige Einfallstor für Post Merger Disputes sind die Kaufpreisgarantien. Vor und während der Transaktion wurden von allen Beteiligten meist enorme Ressourcen mobilisiert, um das Zielunternehmen im Rahmen einer Due Diligence zu durchleuchten und auf dieser Grundlage einen Vertragsentwurf mit einem ausgewogenen Gewährleistungskatalog zu entwickeln. Folgerichtig ist es von besonderer Bedeutung, die Gewährleistungen präzise sowie die Form ihrer Geltendmachung und gegebenenfalls die dafür zugestandene Frist zu regeln. Vielleicht noch wichtiger ist es aber, die mit dem Vertragscontrolling auf Käufer- und Verkäuferseite betrauten Personen entsprechend zu sensibilisieren, damit es nicht zu Verfristungen oder Rechtsverlusten kommt.
Daneben gibt es Mechanismen Post Merger Disputes kalkulierbar zu halten. Dabei helfen Caps, Baskets, De-Minimis-Regeln und Verjährungsvorschriften für Gewährleistungsverletzungen, aber auch darüber kann man sich im Zweifel bestens streiten. Und schließlich gibt es noch erhebliches Steigerungspotenzial für Post Merger Disputes, denn bis heute nutzen nur wenige Unternehmen standardisierte Verfahren zur Identifikation möglicher Ansprüche. Dies wird sich in den nächsten Jahren – auch unter Compliance-Gesichtspunkten und wegen der zunehmenden Haftung von Organen wie Vorstand, Geschäftsführung und Aufsichtsrat, – erheblich verändern.
Ein weiterer Trend ist die Zunahme von Distressed-M&A-Transaktionen. Nachdem diese Assetklasse in der Vergangenheit vor allem durch so genannte Non Performing Loans (NPLs) – besichert oder unbesichert – dominiert war, sieht man zunehmend Unternehmensfinanzierungen im Fokus der Investoren. In Deutschland ist der Hintergrund hierfür nicht zuletzt das zweifach novellierte Insolvenzrecht mit seiner Stärkung der Gläubigerrechte und einer stärkeren Fokussierung auf die Fortführung und den Erhalt von Unternehmen.[6] Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass in anderen europäischen Jurisdiktionen – z.B. Spanien[7] – ähnliche Entwicklungen zu beobachten sind. Insoweit ist davon auszugehen, dass dieser Markt – auf dem sich neben Hedge Fonds auch eine Reihe von Private-Equity-Häusern und zunehmend BRIC-Investoren tummeln – weiter dynamisch entwickeln wird.
Schließlich wurde auf der M&A-Konferenz 2013 auch das Thema „Family Equity“ – das immer mehr in die Öffentlichkeit dringt – prominent angesprochen. Philipp Haindl von der Serafin Private Holding GmbH machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass Family Equity Fonds oft langfristiger und nachhaltiger denken als ihre Wettbewerber. Gerade das derzeitige Marktumfeld fördert dabei die Bereitschaft der Offices, sich – entgegen der früheren Praxis – direkt bei Unternehmen zu engagieren. Letztendlich entspricht dies auch eher dem Temperament und der Herangehensweise von Family Equity Häusern, denn so ist das Familienvermögen in der Vergangenheit meist entstanden.[8]

4  Vor der Welle oder bereits überrollt?

Nachdem bei der M&A-Konferenz 2013 der Ausblick der Investmentbanker, sei es mit Mid Cap Perspektive aus dem Bankhaus Metzler (Dr. Pampel) oder der Large Cap Blick von JP Morgan (Dirk Albersmeier), eher verhalten war und Andreas Nick insgesamt recht skeptisch gegenüber den „Schlangenbeschwörern“ war, wird gerade neun Monate später zunehmend die Frage diskutiert: „Sind die Märkte überhitzt? oder „Hat sich schon wieder eine Blase gebildet?“. Ein überraschender Paradigmenwechsel, der wohl nur mit den Krisenerfahrungen und der strukturellen Krisenlage der letzten Jahre erklärbar ist.
Vorab ist zunächst festzustellen: Die Rahmenbedingungen für M&A insgesamt sind so gut wie noch nie. Drei Faktoren begünstigen derzeit den Markt: Hohe Börsenkurse, die auch Aktien wiederrum als Tauschobjekt (Papiergeld) attraktiv machen, ausreichende und günstige Liquidität (wobei ein hoher Leverage möglich ist) und seit dem OMT-Beschluss der EZB beruhigte Banken und Investoren. Folgerichtig berichten viele Investmentbanken seit dem ersten Quartal 2014 von vollen Büchern.
Falls es dann zu Gigantenhochzeiten kommt, weckt dies regelmäßig auch bei ihren Wettbewerbern Übernahmehunger, nicht zuletzt um weiter im Markt mithalten zu können. Interessant ist weiter, dass solche Deals, dies zeigt etwa die Übernahme des OTC-Geschäfts von Merck & Co. durch Bayer, vollständig fremdfinanziert werden können. Dies ist umso überraschender, weil in diesem Fall ein EBIDTA-Multiple von über 20 gezahlt wurde. Die Banken ziehen also mit, weil sie von dem strategischen Ansatz überzeugt sind. Zusammenfassend kann man sagen, dass branchenbezogene Faktoren, wie sie etwa in Parma- oder auch Telekommunikationsmarkt zu beobachten sind, die Börse, die nach neuen Phantasien schaut, sowie die im Markt vorhandene erhebliche Liquidität, sei es billiges Fremdkapital, sei es angespartes Eigenkapital, das nach Anlageoptionen sucht, den Markt beleben.
Hervorzuheben ist weiter, dass – soweit börsennotierte Unternehmen betroffen sind – die alte Regel – Übernehmerkurs sinkt, Targetkurs steigt – nicht mehr gilt. Vielmehr scheinen derzeit alle zu profitieren: Käufer, Target und sogar (unterlegene) Mitbieter. Auch Private Equity, das sich 2013 mit einigen spektakulären Megadeals zurückgemeldet hat, muss nicht mehr nur auf Secondaries setzen. Dies zeigt etwa der Verkauf des deutschen Automobilzulieferers Hilite an einen chinesischen Investor. Folgerichtig scheint auch das Interesse der BRIC-Staaten zuzunehmen. Belebend kann des Weiteren auch sein, dass sich das Umfeld für Börsengänge/IPOs auch in Deutschland verbessert hat. Doch dies ist noch keine Überhitzung, sondern ein lebhafter, wachsender Markt.
Offen bleibt dabei die folgende Frage: Was könnte die Logik für eine 7. M&A-Welle sein? Die positiven Marktrahmenbedingungen jedenfalls reichen nicht aus, Pharma und TMT wurden schon angesprochen, doch es gibt weitere Trends, zum Beispiel internetbasierte Financial-Solutions und Matching-Plattformen. Gerade sind die legendären Frühphasenfinanzierer aus dem Haus Samwer in dieses Geschäft eingestiegen, inspiriert von dem Konzept des Crowd Investing, haben sie die Plattform Zencap gegründet. Diese besitzt keine Banklizenz, sondern sie hat zum Ziel, vorerst eher kleinen Mittelständlern, die Rede ist von bis zu EUR 150.000,00, Kredite von Privatanlegern zu vermitteln, indem man diese über die Plattform bündelt. Die Mindestinvestition für Anleger beträgt niedrige EUR 100,00.

5  Ausblick

Die Ankündigung großer Transaktionen führt meist dazu, dass der M&A-Markt kurzfristig in das Licht der Öffentlichkeit sowie der Presse rückt. Die spektakulären Takeover bzw. Takeover-Absichten der letzten Monate haben sogar dazu geführt, dass eine Diskussion über eine M&A-Blase in Gang kam, exemplarisch hierfür ist eine Schlagzeile wie „Und täglich grüßt der Megadeal“. Und ja es ist richtig, einige der Phänomene, die im Jahr 2006 und im Frühjahr 2007 zu einem Allzeit-M&A-Hoch geführt haben, wie extrem hoher Leverage oder Covenants Lite, scheinen wiederzukehren. Doch eines sollte man dabei nicht vergessen: Der M&A-Markt war nicht verantwortlich für die Finanzkrise und Euroschuldenkrise, M&A Finanzierungen waren nicht die Ursache für den Zusammenbruch von Lehman Brothers und die dann folgenden Rettungsaktionen für Banken und Staaten. Vielmehr hat die günstige Zinsentwicklung in den letzten Jahren die Refinanzierung zahlreicher LBOs aus den Jahren 2004–2008 sogar erleichtert. Auch spricht das M&A-Volumen derzeit noch nicht für eine neue Welle, doch eines ist sicher: Die 7. M&A-Welle wird kommen.

Fußnoten:
[1] Das nachfolgende Kapitel beruht auf dem Beitrag des Autors in M&A Review 9/2013, VI. Er wurde für die vorliegende Publikation überarbeitet.
[2] Müller-Stewens, M&A als Wellen-Phänomen: Analyse und Erklärungsansatz in: Müller-Stewens/Kunisch/Binder (Hrsg.), Mergers & Acquisitions 2010, 14 ff.
[3] Siehe dazu: Maurer/Klemen, M&A Markt Q3 2013: Aktivitätsanstieg durch TMT und die USA?, M&A Review 2013, 25 ff.
[4] Siehe dazu Strack/Schwarzer, Chinesische Investoren – Die neuen weißen Ritter?, M&A Review 2014, 2 ff., sowie insbesondere Abbildung 1 mit einem Überblick über die Transaktionen Chinesischer Investoren in Deutschland seit 2012 (S. 3).
[5] Der folgende Abschnitt beruht auf dem Standpunkt des Verfassers in der M&A Review 5/2014, VI. Der Abschnitt wurde für die Veröffentlichung überarbeitet. Siehe zu der Thematik auch: Kästle, Post-M&A-Streitigkeiten nehmen zu – Ist die M&A-Praxis darauf vorbereitet?, M&A Review 2014, 71 ff.
[6] Siehe dazu Schalast/Mertes, Der Unternehmenskauf aus der Insolvenz – Chancen und Risiken, 2010, 23 ff., mit Fallbeispielen, 47 ff.
[7] Siehe Philipp von Wolffersdorff, Distressed M&A in Spanien, M&A Review 2014, 76 ff.
[8] Siehe insgesamt zu der Thematik Brückner, Family Equity und M&A: Vermögende Familien als unternehmerische Direktinvestoren, M&A Review 2014, 61 ff.

M&A unter den aktuellen Marktbedingungen

Thomas Meyding/Tobias Grau
 
1  
Die aktuelle Lage am M&A-Markt
1.1  
Hohe M&A-Aktivitäten
1.2  
Deal-Treiber
1.2.1  
Gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen
1.2.2  
„Cashgeprägte“ Unternehmensbilanzen
1.2.3  
Niedriges Zinsniveau
1.2.4  
Aktien als Kaufpreiswährung
2  
Aktuelle Entwicklungen bei den Deal Points
2.1  
CMS European M&A Study 2014
2.2  
Deal Points
2.3  
Kaufpreisanpassung
2.4  
Earn-out
2.4.1  
Allgemeines
2.4.2  
Verbreitungsgrad, Referenzzeitraum und Kriterien
2.5  
Beschränkung von Gewährleistungsansprüchen
2.5.1  
De minimis
2.5.2  
Baskets
2.5.3  
Haftungshöchstgrenzen
2.5.4  
Verjährungsfristen
2.6  
W&I-Versicherungen (Warranty & Indemnity Insurance)
2.7  
Sicherheiten für Garantieansprüche
2.8  
MAC-Klauseln
2.9  
Schiedsklauseln
3  
Besonderheiten des deutschen M&A-Markts
4  
Fazit und Ausblick
5  
Literatur/Quellen

1  Die aktuelle Lage am M&A-Markt

1.1  Hohe M&A-Aktivitäten

Die weltweite Übernahmeaktivität liegt im bisherigen Jahresverlauf deutlich über der des Vorjahreszeitraums. Der M&A-Markt wird dabei vor allem von großen Transaktionen getrieben. Die Anzahl der Fusionen und Übernahmen liegt dagegen noch in etwa auf dem Niveau der Vorperiode. Mergermarket meldet für das erste Quartal im Jahre 2014 ein weltweites Transaktionsvolumen von über 599 Mrd. US-Dollar, was einem Zuwachs von mehr als 33% gegenüber dem ersten Vorjahresquartal entspricht. Der europäische Markt liegt nach diesen Zahlen bei über 160 Mrd. US-Dollar und hat damit um mehr als 19% gegenüber dem Vorjahr zugelegt.
Auch in den Medien wird vermehrt über das Comeback der Megadeals berichtet. Im Silicon Valley zahlt Facebook 19 Mrd. US-Dollar für WhatsApp. Google übernimmt für 2,3 Mrd. EUR den Thermostatehersteller Nest. In Europa schaffen es die Bemühungen von General Electric und Siemens um eine Übernahme von Alstom für rund 10 Mrd. EUR in die Schlagzeilen. Marktteilnehmer sprechen von einer neuen M&A-Welle.

1.2  Deal-Treiber

Für das wieder erstarkte Marktumfeld lassen sich folgende Deal-Treiber anführen:

1.2.1  Gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen

Auch in Märkten, die schwere Zeiten durchlitten haben, ist eine zunehmende Erholung der Wirtschaft zu verzeichnen. So ist insbesondere im von der europäischen Finanzkrise besonders hart getroffenen Spanien die Zuversicht zurückgekehrt. Dies eröffnet auch Wachstumschancen für Käufer, die ein geringeres Steigerungspotenzial für organisches Wachstum sehen. So erklärte der Vorstandsvorsitzende von Santander, es fließe wieder Geld von allen Seiten nach Spanien. Auch andere, kürzlich noch als Krisenländer bezeichnete Nationen, rechnen mit einer Erholung und die gesamtwirtschaftlichen Perspektiven werden zunehmend als stabil bis positiv eingeschätzt. Die Kapitalmärkte sind intakt und befinden sich auf hohem Niveau. Auch die gegenwärtige Krise in der Ukraine scheint sich kaum auf Kapitalmärkte und das M&A-Marktumfeld auszuwirken.

1.2.2  „Cashgeprägte“ Unternehmensbilanzen

Die Unternehmen haben ihre Hausaufgaben gemacht und die Folgen der Finanzkrise weitgehend verarbeitet. Die Bilanzen sind oft von hohen Barbeständen gekennzeichnet. Unternehmen „sitzen“ also auf einer „Menge Geld“ und hoffen durch Verwendung der Barmittel für Zukäufe externes Wachstum und Cashflow zu generieren. Zusätzlich wirkt sich aus, dass US-amerikanische Unternehmen im Ausland erwirtschaftetes Geld oftmals in ausländischen Tochtergesellschaften „geparkt“ haben. Bei einer Rückführung in die Konzernzentrale drohen hohe Steuern von 35 Prozent anzufallen. Damit fördern auch steuerliche Erwägungen die Akquisitionsbereitschaft.

1.2.3  Niedriges Zinsniveau

Zudem sind Zinsniveau und Finanzierungskosten unverändert niedrig, was Übernahmen begünstigt. Dies erleichtert zum einen die Liquiditätsausstattung von Erwerbsinteressenten. Zum anderen ist ein Wachstum durch Zukäufe attraktiver als Barbestände schwach verzinst anzulegen.

1.2.4  Aktien als Kaufpreiswährung

Durch hohe Börsenkurse werden Aktien wieder verstärkt zu einer gern gesehenen Währung bei Fusionen und Übernahmen. Während zu Zeiten der Finanzkrise laut DZ Bank zwei von drei Transaktionen ausschließlich barfinanziert wurden, ist dies aktuell nur bei knapp der Hälfte der Fall; der tiefste Wert seit 13 Jahren. Zum Beispiel finanzierte Facebook die Übernahme von WhatsApp zu fast 80% mit eigenen Anteilen. Damit stehen sowohl hohe Barmittelbestände (siehe 1.2.2) als auch hochbewertete Aktien für Zukäufe zur Verfügung.

2  Aktuelle Entwicklungen bei den Deal Points

2.1  CMS European M&A Study 2014

Die CMS European M&A Study 2014 untersucht zum sechsten Mal seit dem Jahre 2007 ausgewählte Vertragsklauseln aus den M&A-Verträgen eines Kalenderjahres. In diesem Zeitraum wurden insgesamt über 2.000 Transaktionen in Europa ausgewertet, wovon 344 Abschlüsse auf das Jahr 2013 entfallen. Ein Zeitraum, der von Wohlstand, Finanzkrise, bedeutenden geopolitischen Veränderungen, Sorgen um die Eurozone, aber auch von einer Erholung in Europa geprägt ist.
Die Vertragsdaten sind nicht öffentlich zugänglich und basieren auf vertraulich verhandelten Transaktionen, bei denen CMS die Käufer- oder Verkäuferseite beraten hat. CMS gehört zu den wenigen Kanzleien, die dank einer europaweiten Präsenz und Marktdurchdringung eine europäische Studie dieser Art durchführen können.

2.2  Deal Points

Deal Points sind einzelne Vertragsklauseln in Unternehmenskaufverträgen, die typischerweise Gegenstand von Verhandlungen sind und die Risiken der jeweiligen Vertragspartei zuordnet. Die CMS European M&A Study 2014 hat diese hinsichtlich ihrer Häufigkeit und anhand bestimmter Kriterien, insbesondere in den Kategorien Kaufpreis, Gewährleistungen und Garantien sowie Haftungsbeschränkungen und Verjährungsfristen, ausgewertet. Die Studie gibt einen Überblick über die gegenwärtige Best Practice und die aktuelle Risikoallokation im M&A-Markt. Auch bei einem kompetitiven Bieterverfahren hilft die Marktübersicht, die eigenen Idealvorstellungen mit der Marktsicht zur Deckung zu bringen.

2.3  Kaufpreisanpassung

Der Kaufpreis kann entweder fix oder variabel, gekoppelt an bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen des Zielunternehmens, bestimmt werden. Der Verbreitungsgrad von Kaufpreisanpassungen nahm im Jahre 2013 leicht ab. Damit stabilisiert sich ein allgemeiner Trend, der bereits im Vorjahr zu beobachten war. In Europa wurde in 43% aller Transaktionen ein Kaufpreisanpassungsmechanismus vereinbart. Für die Verkäufer hat die Kaufpreissicherheit damit weiterhin Priorität, weshalb sie eine Kaufpreisanpassung meiden. Demgegenüber sind Kaufpreisanpassungsklauseln in den USA deutlich beliebter und mit einem Wert von 85% der absolute Regelfall.
Der Verbreitungsgrad von „Locked-box“-Mechanismen lag im Jahre 2013 nahezu unverändert bei 41%. Unter diesem Instrument versteht man die Vereinbarung eines festen Kaufpreises. Dieser basiert auf dem letzten Abschluss der Zielgesellschaft vor Unterzeichnung des Kaufvertrags. Im Gegenzug verpflichtet sich der Verkäufer, keine Gewinnausschüttungen oder anderweitige Zahlungen an sich, an verbundene Unternehmen oder verwandte Personen vorzunehmen. Für dieses Konzept sind ein stabiles Working Capital zur Unternehmensbewertung und eine gründliche Financial Due Diligence durch den Käufer unverzichtbar. Traditionell bestehen branchenspezifische Unterschiede. „Locked-box“-Mechanismen werden, wie in den letzten drei Jahren, am häufigsten in der Konsumgüterbranche angewendet (60%). Bei Zielunternehmen aus dem Sektor Finanzen und Versicherungen kamen sie hingegen nur in unterdurchschnittlichen 29% der Fälle zum Einsatz.
Abbildung 1: Verbreitungsgrad von Kaufpreisanpassungen und „Locked-box“
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Quelle: CMS European M&A Study 2014

2.4  Earn-out

2.4.1  Allgemeines

Bei einem Earn-out verpflichtet sich der Käufer eine über einen fixen Kaufpreis hinausgehende variable Kaufpreiskomponente zu bezahlen. Die variable Komponente berechnet sich in Abhängigkeit von der künftigen Entwicklung der Zielgesellschaft. Hierzu muss ein vertraglich definierter Referenzstand innerhalb eines bestimmten Zeitraums überschritten werden. Earn-out-Klauseln können divergierende Kaufpreisvorstellungen überbrücken. Für den Verkäufer bietet dieser Mechanismus die Chance, den Verkaufserlös zu steigern. Allerdings hat der Verkäufer nach Vollzug der Transaktion nur begrenzte Einflussmöglichkeiten. Vor diesem Hintergrund und um gegen drohende Manipulationsmöglichkeiten geschützt zu sein, wird sich der Verkäufer vertraglich absichern wollen, was wiederum die Integration des Zielunternehmens in den Konzern des Käufers erschweren kann.

2.4.2  Verbreitungsgrad, Referenzzeitraum und Kriterien

Im Jahr 2013 enthielten nur 14% der untersuchten europäischen Transaktionen eine Earn-out-Klausel, was einen leichten Abfall um zwei Prozentpunkte unter den europäischen Sechsjahresschnitt bedeutet. Bemerkenswert ist der regional unterschiedliche Verbreitungsgrad. Der deutschsprachige Raum stellt eine „europäische Earn-out-Hochburg“ dar: Jede vierte Transaktion in 2013 enthielt einen solchen Mechanismus. Dahinter folgen die Benelux-Länder mit einem Wert von immerhin 18%. In allen übrigen Regionen liegt der Anteil dagegen nur zwischen 6 und 8%.
Abbildung 2: Earn-out – Entwicklung in Europa
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Quelle: CMS European M&A Study 2014
Die Studie zeigt zudem, dass 2013 bei fast jeder dritten untersuchten Transaktion der Referenzzeitraum für den Earn-out drei Jahre oder länger betrug. Im Jahr 2012 war dies hingegen nur bei jeder fünften Transaktion der Fall. Hieraus lässt sich ableiten, dass Verkäufer derzeit eher bereit sind, Transaktionen auf Basis einer nachhaltigen mittel- bis langfristigen Rendite durchzuführen.
Abbildung 3: Earn-out – Bewertungszeiträume
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Quelle: CMS European M&A Study 2014
Bei der Berechnung eines Earn-outs wird ganz überwiegend auf Gewinne oder Umsatzerlöse abgestellt.

2.5  Beschränkung von Gewährleistungsansprüchen

2.5.1  De minimis

In einer de minimis-Klausel einigen sich die Vertragsparteien auf einen Mindestbetrag, welcher überschritten sein muss, damit der Käufer Gewährleistungsansprüche geltend machen kann. Dies soll eine gewisse „Befriedungsfunktion“ erfüllen und die Geltendmachung von Bagatellansprüchen ausschließen. Damit sind diese Klauseln grundsätzlich verkäuferfreundlich. Im Vergleich zum US-amerikanischen Markt (17%) ist hierzulande eine de minimis-Begrenzung üblich (63%). Der relevante Mindestbetrag liegt meist bei 0,1% des Kaufpreises (24%).
Abbildung 4: De minimis 2007-2013 – nach europäischen Regionen
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Quelle: CMS European M&A Study 2014

2.5.2  Baskets

Verkäufer versuchen regelmäßig de minimis-Klauseln mit Baskets zu kombinieren, um Gewährleistungsansprüche in Bagatellfällen von vornherein auszuschließen. Bei einem Basket ist der Käufer erst anspruchsberechtigt, wenn in Summe sämtliche Garantiefälle über dem vereinbarten Schwellenwert (Threshold) liegen. Im Gegensatz hierzu muss bei de minimis-Klauseln jeder einzelne Garantiefall den Mindestbetrag aufweisen (vgl. Kapitel 2.5.1). Es kann vereinbart werden, dass bei Baskets nur der den Threshold überschreitende Betrag („Deductible“ oder „Excess only“) oder der gesamte Schaden („First Dollar“) erstattungsfähig ist.
Abbildung 5: Baskets – Entwicklung in Europa
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Quelle: CMS European M&A Study 2014
Der Verbreitungsgrad von Baskets hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Im Jahr 2013 waren sie in 66% aller Transaktionen enthalten. Dies ist ein Anstieg von 10% gegenüber dem vorangegangenen Sechs-Jahres-Zeitraum. Wird ein Basket vereinbart, so wird eine First-Dollar-Regelung meist einem „Deductible“ vorgezogen. Für den M&A-Markt in den USA gilt hingegen Gegenteiliges („First-Dollar“-Mechanismus in nur 32% aller Baskets).
Abbildung 6: Baskets – Vergleich Europa/USA
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Quelle: CMS European M&A Study 2014

2.5.3  Haftungshöchstgrenzen

Die Vereinbarung von Haftungshöchstgrenzen ist Marktstandard. Denn es wird gemeinhin als unbillig angesehen, wenn der Verkäufer einem Haftungsrisiko ausgesetzt wird, das den erhaltenen Kaufpreis um ein Vielfaches übersteigen könnte. Insoweit drehen sich die Verhandlungen im Regelfall nicht um die Frage, ob eine Haftungshöchstgrenze vereinbart wird, sondern in welcher Höhe sie vereinbart wird.
Zwar enthalten 18% der untersuchten Transaktionen 2013 keinen Cap. Hierbei ist aber zu berücksichtigten, dass beispielsweise bei der Gewährung von „Title“-Garantien oftmals keine Haftungshöchstgrenzen vom Verkäufer gefordert und vom Käufer bisweilen akzeptiert werden.
Der verkäuferfreundliche Trend sinkender Haftungshöchstgrenzen wurde 2013 unterbrochen. Es gelang den Verkäufern gegenüber den Jahren 2012 (54%) und 2011 (50%) seltener, ihre Haftung auf die Hälfte des Kaufpreises oder weniger zu begrenzen, nämlich nur in 47% der Fälle.
Abbildung 7: Haftungshöchstgrenzen (über 50% des Kaufpreises) – Entwicklung in Europa
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Quelle: CMS European M&A Study 2014
Die Haftungshöchstgrenzen sind in Europa gleichwohl noch immer wesentlich höher als in den USA. Dort wird häufig ein Cap von bis zu 25% des Kaufpreises vereinbart.
Abbildung 8: Haftungshöchstgrenzen – Europa/USA
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Quelle: CMS European M&A Study 2014

2.5.4  Verjährungsfristen

Am häufigsten werden Verjährungsfristen für Garantieansprüche von zwölf Monaten oder mehr vereinbart. In 2013 war insgesamt jedoch ein Trend zu kürzeren Verjährungsfristen zu verzeichnen. So stieg der Anteil der kurzen Verjährungsfristen von 6 bis 12 Monaten gegenüber 2012 auf 14% an (2012: 12%), während zugleich der Anteil der Verjährungsfristen von 18 bis 24 Monaten auf 26% fiel (2012: 32%). Der Anteil der Transaktionen, in welchen lange Verjährungsfristen von mehr als 24 Monaten vereinbart wurden, blieb hingegen konstant bei 26%.
Abbildung 9: Verjährungsfristen für Garantieansprüche – Europa 2007-2013
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Quelle: CMS European M&A Study 2014
Oftmals gelingt es Käufern, bestimmte Risikobereiche von den allgemeinen Verjährungsfristen auszunehmen. Dies gilt namentlich für Garantieansprüche, die sich auf Eigentumsrechte („Title“) und die Befugnis zum Vertragsschluss („Capacity“) sowie Umweltschäden und Steuern beziehen.

2.6  W&I-Versicherungen (Warranty & Indemnity Insurance)

Obgleich W&I-Versicherungen bereits seit vielen Jahren zur Verfügung stehen, wird erst in jüngerer Zeit vermehrt von ihnen Gebrauch gemacht. Diese Versicherungen können Lücken bei Garantien schließen, sei es, dass der Verkäufer Garantieansprüche nicht anerkennt, nicht erfüllen kann oder aber nicht gewillt ist, Garantien abzugeben. Letzteres gilt insbesondere für Finanzinvestoren im Rahmen eines anstehenden Exits. Statt Garantien abzugeben, können Verkäufer im Rahmen eines Bieterverfahrens den Erwerbsinteressenten ein vorgefertigtes Paket anbieten, wonach der spätere Käufer Garantieansprüche gegenüber dem Versicherer statt gegenüber dem Verkäufer geltend machen kann.
Standen die Käufer in der Vergangenheit einer Anspruchserfüllung durch Versicherungsgesellschaften skeptisch gegenüber, so zeugt der im Jahr 2013 erreichte Höchststand an Transaktionen mit W&I-Versicherung davon, dass diese Skepsis jedenfalls zum Teil zunehmend zu weichen scheint. So ist der im Zweijahreszeitraum 2011-2012 bereits erreichte Anteil von 8%, in welchem eine W&I-Versicherung abgeschlossen oder ernsthaft erwogen wurde, weiter auf 9% gestiegen. Vor dem Hintergrund, dass bei zahlreichen Abschlüssen keine wesentlichen Bedenken hinsichtlich möglicher Garantielücken bestanden (z.B. bei Vorliegen optimaler Vollzugsbedingungen), ist diese Quote beachtlich.
W&I-Versicherungen werden sowohl für Verkäufer als auch Käufer angeboten. Im Regelfall ist jedoch der Käufer Versicherungsnehmer (76% der relevanten Fälle im Zeitraum 2011-2013), wobei die Versicherungsprämie von dem Verkäufer getragen wird. Diese beträgt meist zwischen ein und zwei Prozent der Deckungssumme. Meist wird ein Maximalbetrag für die versicherten Gewährleistungsfälle vereinbart.
Abbildung 10: W&I-Versicherungen 2011-2013 in Europa
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Quelle: CMS European M&A Study 2014

2.7  Sicherheiten für Garantieansprüche

In 2013 war gegenüber dem Zeitraum 2007-2012 ein Rückgang der Absicherung von Garantieansprüchen zu verzeichnen. Konnten die Käufer in den Jahren 2007-2012 noch in 40% der Transaktionen erfolgreich eine Form der Absicherung durchsetzen, gelang dies 2013 nur noch in 35% der Fälle. Beliebteste Formen der Absicherung waren in 2013 gleichermaßen Treuhandkonto und Kaufpreiseinbehalt (jeweils 42%). Die Absicherung durch Bankbürgschaften ging gegenüber dem Zeitraum 2007-2012, wo ihr Anteil noch bei 27% lag, in 2013 weiter zurück (16%).
Abbildung 11: Absicherung von Garantieansprüchen – Verbreitungsgrad in Europa
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Quelle: CMS European M&A Study 2014

2.8  MAC-Klauseln

Material Adverse Change („MAC“)-Klauseln geben dem Käufer das Recht vom Vertrag zurückzutreten, sollten sich die Verhältnisse vor dem Closing wesentlich verschlechtern. Im Vertrag wird dabei definiert, auf welche Verhältnisse es hier ankommt. MAC-Klauseln waren in 2013 in 14% der Verträge enthalten. Gegenüber dem Zeitraum 2007-2012, als dies noch in 17% der Transaktionen der Fall war, spiegelt der leichte Rückgang eine immer geringere Bereitschaft der Verkäufer wider, dem Käufer ein Recht zum Rücktritt nach der Unterzeichnung einzuräumen. Bemerkenswert ist der signifikante Unterschied im Vergleich zur Verbreitung von MAC-Klauseln in den USA. Hier lag ihr Anteil bei 94%.
Wird eine MAC-Klausel vereinbart, werden von deren Tatbestand oftmals bestimmte Entwicklungen ausdrücklich ausgenommen. Die gebräuchlichsten Ausnahmen sind dabei die gesamtwirtschaftliche Entwicklung sowie unvorhergesehene wirtschaftliche Entwicklungen im Zielsektor. Auffällig ist hier der starke Rückgang eben dieser Ausnahmen, welcher veranschaulicht, dass sich die Verkäufer bei der Verhandlung insoweit weniger erfolgreich durchsetzen konnten.
Abbildung 12: Ausnahmen von MAC-Klauseln in Europa 2007-2013
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Quelle: CMS European M&A Study 2014

2.9  Schiedsklauseln

Im vergangenen Jahr enthielten 37% aller Unternehmenskaufverträge eine Schiedsklausel, was gegenüber 2012 (33%) einen Anstieg annähernd wieder auf das Niveau im Zeitraum 2007-2012 bedeutet. An Schiedsverfahren wird oft geschätzt, dass Streitigkeiten – anders als beim ordentlichen Rechtsweg – unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt werden und die überlange Verfahrensdauer einiger Jurisdiktionen vermieden werden kann. Den Vorteilen stehen aber auch vergleichsweise hohe Verfahrenskosten gegenüber sowie Bedenken, ob die intendierte Verfahrenseffizienz auch tatsächlich in der Praxis gewährleistet ist. Der wohl größte Beweggrund, ein Schiedsverfahren zu wählen, besteht indes darin, einen Schiedsspruch zu erhalten, welcher in mehreren Ländern vollstreckbar ist oder auch in einigen Ländern einfacher vollstreckt werden kann, als ein ausländisches Urteil.
Hinsichtlich der regionalen Verbreitung von Schiedsklauseln in Europa lassen sich erhebliche Unterschiede ausmachen. Während Schiedsklauseln in Mittel- und Osteuropa traditionell weit verbreitet sind (71% gegenüber 64% im Jahr 2012), sticht der Anstieg von Schiedsklauseln in Südeuropa ins Auge (75% gegenüber 45% im Jahr 2012). Ähnlich auffällig ist der Rückgang an Schiedsklauseln in den Benelux-Ländern (11% gegenüber 40% im Jahr 2012). In Frankreich (8%) und im Vereinigten Königreich (9%), sind Schiedsklauseln selten anzutreffen.
Abbildung 13: Schiedsklauseln – Verbreitungsgrad in Europa
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Quelle: CMS European M&A Study 2014

3  Besonderheiten des deutschen M&A-Markts

Für das vergangene Jahr waren folgende Besonderheiten für den deutschsprachigen M&A-Markt charakteristisch:

4  Fazit und Ausblick

Die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien bei M&A-Transaktionen ist seit drei Jahren ausgewogen. Kräftige Schwankungen zwischen Deal Points sind seit 2011 in deutlich geringerem Maße vorhanden. Dennoch sind im Jahr 2013 bemerkenswerte Entwicklungen zu beobachten:
Diese Indikatoren sprechen für einen sich erholenden M&A-Markt. Zwar bestehen weiterhin unterschiedliche Preisunterstellungen. Diese Lücken werden sich durch geeignete Klauseln, beispielsweise einer Earn-out-Regelung, überbrücken lassen. Wir erwarten in den Branchen TMT, Finanzdienstleistungen und Energie überdurchschnittlich viele Transaktionen.

5  Literatur/Quellen

Compliance und Governance im Rahmen von M&A-Aktivitäten

Gabriel Andras/Thomas Kirstan
 
1  
Relevanz von Compliance und Governance bei M&A-Aktivitäten
2  
Wesentliche relevante Compliance- und Governance-Risiken
3  
Maßnahmen vor Signing und Closing: Compliance und Governance Due Diligence
3.1  
Phase 1: Risikoanalyse
3.2  
Phase 2: Detailanalyse der in Phase 1 identifizierten kritischen Bereiche und Aktivitäten
3.3  
Phase 3: Hintergrundrecherchen
3.4  
Phase 4: Bewertung der Ergebnisse
4  
Elemente einer wirksamen Post Merger Compliance
4.1  
Stand Alone
4.2  
Integration
5  
Compliance- und Governance-Aspekte aus der Exit-Readiness-Perspektive
5.1  
Stand Alone
5.2  
Abspaltung
6  
Fazit
7  
Literatur (Auszug)

1  Relevanz von Compliance und Governance bei M&A-Aktivitäten

Compliance- und Governance-Fragestellungen wurden bei M&A-Aktivitäten, insbesondere im Private-Equity-Umfeld, lange Zeit als ein für den Erfolg einer Transaktion weniger relevanter Faktor angesehen. Dieser Umstand hat sich in der jüngeren Vergangenheit jedoch signifikant geändert. Art, Umfang und Qualität von Governance-, Risk- und Compliance- (im Folgenden „GRC“) Strukturen können im Rahmen von M&A-Transaktionen in allen aus Käufer- oder Verkäuferperspektive relevanten Prozessphasen (siehe hierzu Abb. 1) eine signifikante Rolle spielen und ein Wert- und Kaufpreistreiber darstellen.
Dieser Wandel in der Wahrnehmung der Bedeutung von GRC-Strukturen wurde zum einen durch die wachsende Anzahl von Beispielen gefördert, in denen nach Signing und Closing entdeckte Compliance- und Governance-Verstöße beim Zielunternehmen zu Streitigkeiten zwischen Käufern und Verkäufern geführt haben. Infolgedessen kam es zum Teil zu erheblichen finanziellen und rechtlichen Konsequenzen, zu nicht im Kaufpreis berücksichtigten Folgeinvestitionen oder gar zur Rückabwicklung der Transaktion. Insbesondere hat jedoch in den vergangenen Jahren der Gesetzgeber mit einer erhöhten Regulierungsaktivität, zum Beispiel in Form des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG), dafür gesorgt, dass die Berücksichtigung von GRC-Anforderungen auch im M&A-Umfeld eine wachsende Bedeutung erhalten muss. Im internationalen regulatorischen Kontext können z.B. der US-amerikanische Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) oder der UK Bribery Act hohe Relevanz auch für Unternehmen mit Sitz in Deutschland haben, sofern sie im Ausland operativ tätig sind.
Abbildung 1: Zusammenspiel von GRC und M&A
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Quelle: Deloitte
Eine nachhaltige Compliance- und Governance-Struktur besteht in der Regel aus vier Komponenten: 1) Internes Kontrollsystem (IKS), 2) Compliance Management System (CMS), 3) Risikomanagementsystem (RMS) und 4) Interne Revision (IR). Abbildung 2 stellt das Zusammenspiel dieser Komponenten in einem sogenannten „House of Governance“ dar. Das IKS, CMS, RMS und die IR, unter der Verantwortung der Geschäftsführung beziehungsweise des Aufsichtsrats, stellen die Elemente dar, um die Governance-Standards festzulegen und diese mit den vorgesehenen Maßnahmen zu überwachen.
Die Überwachung des IKS, RMS, der IR und des Rechnungslegungsprozesses für Kapitalgesellschaften, die Wertpapiere[1] an einem organisierten Markt[2] ausgeben oder deren Zulassung zum Handel beantragt haben, fällt gemäß BilMoG in den Aufgabenbereich des Aufsichtsrats oder eines eingerichteten Prüfungsausschusses (Audit Committee). Für die Frage, ob die Einführung eines präventiven CMS eine allgemeine Rechtspflicht darstellt, gibt es in Deutschland derzeit noch keinen Konsens. Jedoch lässt sich aus dem Aktienrecht eine allgemeine Organisationspflicht des Vorstandes bzw. der Geschäftsleitung zur Sicherstellung der Rechtmäßigkeit des Handelns im Unternehmen ableiten.
Abbildung 2: „House of Governance“
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Quelle: Deloitte