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Kompendium bankbetrieblicher
Anwendungsfelder

Herausgeber:
Frankfurt School of Finance & Management

Dr. Heike Brost Dr. Andreas Dahmen
Dr. Ingo Lippmann

Corporate Banking

Zukunftsorientierte Strategien
im Firmenkundengeschäft

7., überarbeitete Auflage 2012

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ISBN (PDF): 978-3-940913-83-8
ISBN (ePub): 978-3-940913-84-5

7., überarbeitete Auflage 2012 © Frankfurt School Verlag GmbH, Sonnemannstraße 9-11, 60314 Frankfurt am Main

Vorwort

Die Frankfurt School of Finance & Management, kompetenter Bildungs-partner der Bank- und Finanzindustrie, bietet engagierten Nachwuchskräften an, sich für anspruchsvolle Fach- und Führungsaufgaben in Banking und Finance zu qualifizieren: Mit dem dreistufigen Qualifikationsprofil Bankfachwirt-, Bankbetriebswirt- und Management-Studium hat die Frankfurt School in der deutschen Kreditwirtschaft einen Standard etabliert, der sich – im ständigen Prozess der Antizipation und Reaktion auf den dynamischen Wandel gerade in diesem Sektor der Volkswirtschaft – mit großem Erfolg bewährt hat.

Das aus neun Modulen bestehende „Kompendium bankbetrieblicher Anwendungsfelder“ ist speziell für Studierende des Bankbetriebswirt-Studiums konzipiert und auf ihr Curriculum abgestimmt. Durch seinen theoretisch fundierten Hintergrund und gleichzeitig engen Praxisbezug ist das Werk darüber hinaus auch für Studierende der Hochschulen sowie für Praktiker als Nachschlagewerk sehr gut geeignet. Die enge Verknüpfung von Theorie und Praxis hat dieser Fachbuchreihe ihr klares eigenständiges Profil gegeben.

Die positive Resonanz unserer Leser bewegt uns, die Fachbuchreihe auf dieser Linie konsequent weiterzuentwickeln. Alle Bücher werden in regelmäßigen Abständen didaktisch und inhaltlich überarbeitet, so dass sie als Medium zur Weiterentwicklung der fachlichen, persönlichen und sozialen Kompetenz stets „up to date“ sind.

Die konsequente Ausrichtung auf die Praxis ist für die didaktische Struktur des Buches von essentieller Bedeutung. Fallbeispiele erleichtern an vielen Stellen das Verständnis und vertiefen die gewonnenen Kenntnisse. Konkrete Einstiegsfälle sowie Zusammenfassungen und Arbeitsaufgaben nach größeren Einheiten unterstützen das Selbststudium unserer Leser.

Unser Dank gilt den Studierenden, Dozenten und Praktikern, die zur Weiterentwicklung des „Kompendiums bankbetrieblicher Anwendungsfelder“ entscheidend beigetragen haben. Ganz besonders danken wir unserem Autorenteam für seinen Einsatz bei der Umsetzung der vielfältigen Anregungen sowie der fachlichen und didaktischen Weiterentwicklung dieses Bandes, der nunmehr in der sechsten Auflage vorliegt.

Prof. Dr. Udo Steffens
Präsident und Vorsitzender der Geschäftsführung
der Frankfurt School of Finance & Management

Inhalt

Vorwort

Inhalt

1            Einleitung

Dr. Andreas Dahmen

2            Finanzmanagement der Firmenkunden

2.1          Vorbemerkung

2.2          Grundlagen des Finanzmanagements

2.2.1       Shareholder-Value-Ansatz

2.2.1.1    Grundidee

2.2.1.2    Barwert-Konzept

2.2.1.3    Marktwertmaximierung

2.2.2       Cashflow

2.2.3       Alternativzinssatz

2.2.4       Investitions- und Finanzierungsentscheidungen

2.2.5       Unsicherheit und Risiko

2.2.6       Investitions- und Finanzierungsrisiko

2.2.7       Principal-Agent-Beziehungen

2.2.8       Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

2.3          Investitionsentscheidungen

2.3.1       Dynamische Investitionsrechnung

2.3.2       Einbeziehung der Fremdfinanzierung

2.3.3       Berücksichtigung von Steuern

2.3.4       Optimale Nutzungsdauer und optimaler Ersatzzeitpunkt

2.3.4.1    Optimale Nutzungsdauer

2.3.4.2    Optimaler Ersatzzeitpunkt

2.3.4.3    Optimale Nutzungsdauer und Steuern

2.3.5       Bestimmung des Kalkulationszinsfußes

2.3.6       Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

2.4          Finanzierungsentscheidungen

2.4.1       Kapitalkosten als Entscheidungskriterium

2.4.1.1    Grundidee

2.4.1.2    Kapitalkosten bei gemischter Finanzierung

2.4.1.3    Fremdkapitalkosten

2.4.1.4    Eigenkapitalkosten

2.4.2       Verschuldungspolitik

2.4.2.1    Grundidee

2.4.2.2    Traditionelle These

2.4.2.3    Modigliani/Miller-These

2.4.2.4    Modifizierte Modigliani/Miller-These

2.4.2.5    Optimaler Verschuldungsgrad

2.4.3       Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

Dr. Andreas Dahmen

3            Rating und Unternehmensbewertung

3.1          Rating

3.2          Due-Diligence-Prozess

3.2.1       Allgemeine Überlegungen

3.2.2       Informationsbeschaffung

3.2.3       Risiko-/Potenzialanalyse

3.2.4       Tragfähigkeitsanalyse

3.2.5       Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

3.3          Grundlagen der Unternehmensbewertung

3.3.1       Allgemeine Überlegungen

3.3.2       Bewertungsanlässe

3.3.3       Systematisierung der Verfahren der Unternehmensbewertung

3.4          Einzelbewertungsverfahren

3.4.1       Substanzwertverfahren

3.4.2       Liquidationswertverfahren

3.5          Gesamtbewertungsverfahren

3.5.1       Grundkonzeption der Gesamtbewertungsverfahren

3.5.1.1    Allgemeine Überlegungen

3.5.1.2    Nettozuflüsse an die Kapitalgeber

3.5.1.3    Kalkulationszinssatz

3.5.1.4    Steuern

3.5.1.5    Ausschüttung

3.5.1.6    Finanzierung

3.5.1.7    Planungszeitraum

3.5.2       Ertragswertverfahren

3.5.2.1    Methode der zukünftig abgezinsten Erträge

3.5.2.2    Methode der ewigen Rente

3.5.3       Cashflow-orientierte Verfahren

3.5.3.1    Gemeinsamkeiten der Discounted-Cashflow (DCF)-Verfahren

3.5.3.2    Equity-Methode

3.5.3.3    Entity-Methode

3.5.3.4    Adjusted-Present-Value (APV)-Methode

3.5.3.5    Gegenüberstellung der Gesamtbewertungsverfahren

3.5.4       Multiplikatorverfahren

3.5.4.1    Grundkonzeption

3.5.4.2    Erfolgsorientierte Multiplikatoren

3.5.4.3    Cashflow-orientierte Multiplikatoren

3.5.4.4    Wachstumsorientierte Multiplikatoren

3.6          Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

Dr. Heike Brost

4            Wertorientierte Finanzierungsentscheidungen im Corporate Banking

4.1          Die Beschaffung von Kapital als ein Kernproblem der Firmenkundschaft

4.1.1       Unternehmensexterne Finanzierung und die Rolle der Banken

4.1.1.1    Die Beschaffung von Fremdkapital

4.1.1.2    Die Beschaffung von Eigenkapital

4.1.1.3    Die Relevanz des Verschuldungsgrads für die Höhe der Kapitalkosten

4.1.2       Unternehmensinterne Finanzierung als Begleitung externer Kapitalzufuhr

4.1.2.1    Die Bedeutung der Gewinnthesaurierung

4.1.2.2    Die Finanzierung aus Abschreibungs- und Rückstellungsgegenwerten

4.1.3       Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

4.2          Wertsteigerungspotenziale im Kreditgeschäft der Banken

4.2.1       Neue Rahmenbedingungen für die Vergabe von Unternehmenskrediten

4.2.1.1    Nationale Rahmenbedingungen: MaRisk

4.2.1.2    Internationale Rahmenbedingungen: Die Baseler Eigenkapitalakkorde

4.2.1.2.1 Die Baseler Eigenkapitalvereinbarung von 1988 (Basel I)

4.2.1.2.2 Die neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II)

4.2.1.2.3 Die Bedeutung externer Ratings im Kreditgeschäft

4.2.1.2.4 Interne Ratings im Zentrum der Kreditwürdigkeitsprüfung

4.2.1.2.5 Die reformierte Baseler Eigenkapitalvereinbarung nach der Finanzmarktkrise (Basel III)

4.2.2       Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

4.2.3       Das klassische Kreditgeschäft

4.2.3.1    Die kurzfristige Kreditfinanzierung

4.2.3.2    Die langfristige Kreditfinanzierung

4.2.3.2.1 Unverbriefte Formen der langfristigen Kreditfinanzierung

4.2.3.2.2 Verbriefte Formen der langfristigen Kreditfinanzierung

4.2.3.3    Die Besicherung von Krediten

4.2.4       Die Bedeutung öffentlicher Förderkredite im mittelständischen Firmenkundengeschäft

4.2.5       Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

4.3          Wertsteigerungspotenziale durch das Angebot eigenkapitalbasierter Finanzierungsformen

4.3.1       Die Verlustausgleichsfunktion des Eigenkapitals vor dem Hintergrund von Basel II und Basel III

4.3.2       Eigenkapitalgeber und ihre Position vor dem Hintergrund der Agency-Theorie

4.3.3       Die traditionelle Beteiligungsfinanzierung

4.3.4       Die Finanzierung über Private Equity und Venture Capital

4.3.5       Die Finanzierung über Mezzanine Capital

4.3.6       Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

4.4          Trends im Corporate Banking

4.4.1       Securitization und Disintermediation

4.4.2       Kapitalmarktnahe Produkte auch für mittelständische Unternehmen?

4.4.3       Kapitalmarktfinanzierung zu Lasten der Hausbank?

4.4.4       Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

Dr. Ingo Lippmann

5            Strukturierte Finanzierungen

5.1          Definition und Abgrenzung

5.2          Relevanz strukturierter Finanzierungen

5.3          Wertsteigerungspotenziale durch Strukturierung

5.3.1       Grundlagen

5.3.2       Strukturierungsansätze

5.4          Auswahl strukturierter Finanzierungen

5.4.1       Factoring

5.4.2       Forfaitierungen

5.4.3       Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

5.4.4       Projektfinanzierungen

5.4.4.1    Entwicklung und Grundlagen

5.4.4.2    Parteien

5.4.4.3    Risiken und Risikoverteilung

5.4.4.4    Cashflow-Modell

5.4.4.5    Kennzahlenanalyse

5.4.4.6    Sensitivitäts- und Szenarioanalysen

5.4.4.7    Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

5.4.5       Public-Private-Partnership-Finanzierungen

5.4.6       Leasingfinanzierungen

5.4.6.1    Grundlagen und Formen des nationalen Leasing

5.4.6.2    Leasing nach nationaler Rechnungslegung

5.4.6.3    Leasing nach internationaler Rechnungslegung

5.4.6.4    Sonderformen

5.4.6.4.1 Cross-Border-Leasingstrukturen

5.4.6.4.2 Sale-and-Lease-Back-Strukturen

5.4.6.4.3 Leasingfonds

5.4.6.5    Wirtschaftlichkeitsanalysen bei Leveraged Leases

5.4.6.6    Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

5.4.7       Asset-Backed-Finanzierungen für Firmenkunden

5.4.7.1    Ziele und Voraussetzungen von Asset-Backed-Finanzierungen

5.4.7.2    Merkmale von Verbriefungsstrukturen

5.4.7.3    Parteien einer Verbriefungsstruktur

5.4.7.4    Mechanismen der Bonitätsverstärkung

5.4.7.5    Wertschöpfungspotenziale und Herausforderungen von Asset-Backed-Finanzierungen in der Praxis

5.4.7.6    Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

5.5          Einbindung strukturierter Finanzierungselemente

5.5.1       Ansatzpunkte zur Wertsteigerung durch Strukturierung

5.5.2       Wertsteigerung durch Credit-Risk-Mitigation-Techniques

5.5.2.1    Aufsichtsrechtlich anerkannte Sicherheiten

5.5.2.1.1 Methodische Berücksichtigung der Sicherheiten

5.5.2.1.2 Eigenkapitalunterlegung ohne Risk Mitigation

5.5.2.1.3 Eigenkapitalunterlegung mit Risk Mitigation

5.5.2.2    Bilanzielles Netting

5.5.2.3    Garantien und Kreditderivate

5.5.2.4    Verbriefung und ABS-Transaktionen von Banken

5.5.3       Defeasance-Strukturen

5.6          Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

Dr. Ingo Lippmann

6            Marketing

6.1          Wertorientierte Kundensegmentierung

6.1.1       Grundlagen der Firmenkundensegmentierung

6.1.2       Customer Lifetime Value

6.1.3       Bedarfsorientierte Segmentierung

6.1.4       Wallet Sizing

6.2          Customer Relationship Management und Data Warehouse

6.3          Marketingpolitisches Instrumentarium

6.3.1       Produkt- und Markenpolitik (Product & Branding)

6.3.2       Kommunikationspolitik (Promotion)

6.3.3       Vertriebspolitik (Place)

6.3.4       Preispolitik (Price)

6.4          Firmenkunden-Marketing über das World Wide Web

6.4.1       Charakteristika und Anwendungsfelder des WWW

6.4.2       Ziele und Funktionen von Firmenkundenfinanzportalen

6.4.3       Marketing über Firmenkundenfinanzportale

6.5          Wertsteigerung bei ganzheitlichem Kundenmanagement

6.6          Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

7             Literaturverzeichnis

8             Stichwortverzeichnis

9             Kurzbiographien der Autoren

1 Einleitung

Im Corporate Banking stehen die Banken (oder auch synonym Kreditinstitute) vor großen Herausforderungen:

Unter dem Eindruck der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise der Kreditwirtschaft ist das Augenmerk mehr denn je auf die Schaffung von Unternehmenswert gerichtet. Dies manifestiert sich in Forderungen führender Bankenvertreter nach deutlich zweistelligen Eigenkapitalrenditen, wie sie die Kreditinstitute in angelsächsischen Ländern bereits seit längerem als Messlatte im globalen Wettbewerb vorgeben.

Das Geschäftsfeld „Corporate Banking“ ist zu diesem Zweck von der deutschen Kreditwirtschaft als ein wichtiger Werttreiber identifiziert worden. Über 3 Mio. Unternehmen in Deutschland, davon nach gebräuchlicher Klassifizierung 99 % dem Mittelstand zuzurechnen, bergen ein großes Potenzial als Kunden der Banken. Führten in den letzten Jahren noch erheblich gestiegene Wertberichtigungen sowie ein kontinuierlich zu beobachtender Margenverfall in vielen Instituten dazu, dass die Erträge aus dem Kreditgeschäft kaum noch ausreichten, die Bearbeitungs-, Kapital- und Risikokosten dieses Geschäftsfelds zu decken, richten sich die Strategien der Banken heute auf die Erschließung wertgenerierender Quellen gerade in diesem Bereich. Denn auch in der Krise gibt es Beispiele von Banken, die in diesem Geschäftssegment beachtliche Renditen erwirtschaftet haben.

Nicht nur das Potenzial der Geschäftsverbindungen mit großen, kapitalmarktorientierten Unternehmen steht dabei im Mittelpunkt des Interesses, sondern gerade auch die Beziehungen zur mittelständischen Firmenkundschaft avancieren vom „Auslaufmodell“ zur „Kernkompetenz“ der Institute.

Resultierend sowohl aus betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten wie der Reduzierung der beträchtlichen Risikovorsorge als auch getrieben von bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben der Baseler Eigenkapitalakkorde „Basel II“ und „Basel III“ steht die Bonitätsanalyse der Firmenkundschaft im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Kerngeschäfts des Corporate Banking, das sich mit den unterschiedlichen Arten der Finanzierung von Unternehmen befasst.

Nur diejenigen Bankmitarbeiter, die über fundierte Kenntnisse des Finanzmanagements aus Unternehmenssicht verfügen, sind in der Lage, sich ihren Kunden „auf Augenhöhe“ zu nähern und eine bedarfsgerechte Betreuung zu leisten. Den praxisorientierten Ausführungen in den Kapitel 3 bis 6 ist daher im Kapitel 2 eine Aufbereitung der Grundlagen des Finanzmanagements vorangestellt. Diese Ausführungen sind als „Handwerkszeug“ zu verstehen, die als theoretische Basis für die späteren Erläuterungen dienen.

Die Anforderungen der Banken als Kapitalgeber an die Informationen über ein zu finanzierendes Unternehmen sowie insbesondere seine erwartete Entwicklung sind deutlich gestiegen. Der Bestimmung des Unternehmenswertes als quantitativem Teil des Ratingprozesses sowie der Due Diligence als qualitativem Pendant wird demzufolge in diesem Buch großer Raum gegeben; ihnen ist das Kapitel 3 gewidmet. Sie stellen die Grundlage für jede Fremd- oder Eigenkapitalfinanzierung dar, deren Variantenreichtum den Gegenstand der nachfolgenden Kapitel bildet.

Im Kapitel 4 werden zunächst die klassischen Finanzierungsinstrumente unter dem Aspekt ihres Wertbeitrags aus Bankensicht beleuchtet. Noch immer stellen viele mittelständische Unternehmen ihre Finanzierung primär auf Fremdkapital ab, so dass die traditionelle Kreditfinanzierung im Mittelpunkt steht. Den aktuellen Entwicklungen auf dem Gebiet der Bankenaufsicht geschuldet, widmet sich ein wesentlicher Teil des Kapitels auch den Rahmenbedingungen, denen das Corporate Banking durch die nationalen Vorgaben der „MaRisk“ und der internationalen Empfehlungen der Baseler Beschlüsse ausgesetzt ist. Es werden die Restriktionen beleuchtet, aber auch die Chancen dieser gravierenden Veränderungen aufgezeigt.

Je größer die Unternehmenskunden sind, desto mehr verlieren die klassischen Finanzierungsinstrumente an Bedeutung. Verstärkt durch die neuen Rating-Prozesse fragen aber insbesondere mittelständische Unternehmen zunehmend alternative und auch Kombinationen bekannter Finanzierungsinstrumente nach, um ihre im internationalen Vergleich sehr geringe Eigenkapitalbasis zu stärken. Ein wichtiges Instrument im Wettbewerb der Banken untereinander ist infolgedessen das Angebot strukturierter Finanzierungsformen geworden, das den Schwerpunkt des Kapitels 5 bildet.

Um mit diesen Angeboten auch im Wettbewerb bestehen zu können, ist ein auf die Zielgruppe zugeschnittenes Marketing erforderlich. Zu diesem Zweck bedarf es einer sorgfältigen Kundensegmentierung sowie eines „Customer Relationship Managements“ auf der Basis des marketingpolitischen Instrumentariums sowie unter Einbeziehung noch vergleichsweise neuer Tools wie Firmenkundenfinanzportalen im World Wide Web. Im Kapitel 6 werden daher abschließend Strategien und Instrumente eines wertorientierten Marketing vorgestellt.

Dieses Buch konzentriert sich – in seiner primären Funktion als Lehrbuch für den berufsbegleitenden Studiengang zum Bankbetriebswirt (Frankfurt School of Finance & Management) – auf die Kerngeschäftsfelder des Corporate Banking, wie sie in typischen Universalkreditinstituten der deutschen Bankenlandschaft anzutreffen sind. Die Geschäftsfelder des Investment Banking wie beispielsweise Mergers & Acquisitions werden im weiterführenden „Kompendium Management“, dem Lehrbuch für das auf dem Bankbetriebswirt-Studium aufbauende Management-Studium zum diplomierten Bankbetriebswirt (Frankfurt School of Finance & Management), behandelt.

2 Finanzmanagement der Firmenkunden

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Die Value AG ist ein Hersteller von Medizintechnik-Produkten. Ihre Kunden sind öffentlich verwaltete Krankenhäuser und privat finanzierte Kliniken. Aufgrund der starken Marktstellung in einigen Produktsegmenten ist die Value AG zwischenzeitlich ein international tätiges Unternehmen mit Kunden in Europa, Asien und den USA; 40 % des Geschäftes wird im Ausland abgewickelt.

Trotz ihrer mittelständischen Größe haben die Gesellschafter schon früh die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft vollzogen und den Gang an die Börse gewagt. Die dadurch erfolgte Zuführung von hohen Eigenkapitalbeträgen hat es der Value AG ermöglicht, schon vor Jahren die Internationalisierung nicht nur der Kunden-, sondern auch der Produktionsbasis voranzutreiben. Dieser strategischen Ausrichtung hat es die Value AG zu verdanken, dass in der Vergangenheit regelmäßig hohe Eigenkapitalrenditen erwirtschaftet werden konnten. Dies wiederum hat sich positiv auf den Aktienkurs der Value AG ausgewirkt.

Die überdurchschnittlichen Ergebnisse sind nicht nur auf ein überdurchschnittlich effizientes Kunden- und Produktmanagement zurückzuführen, sondern auch auf das moderne Finanzmanagement der Value AG. Schon früh wurden neben dem Börsengang günstige alternative Finanzierungsquellen erschlossen. Mit einer Finanzierungsstruktur, die jährlich optimiert wird, konnten Finanzierungskosten in nicht unerheblichem Maße eingespart werden. Gleichzeitig wird die Entscheidung über die Durchführung von Investitionsobjekten nicht nur nach den betrieblichen Erfordernissen, sondern auch nach modernsten, betriebswirtschaftlichen Bewertungsverfahren vorgenommen.

Schlüsselbegriffe

• Finanzmanagement

• Barwert, Cashflow, Kapitalkosten

• Kapitalwert

• Verschuldungsgrad

• Ausschüttungspolitik

2.1 Vorbemerkung

Der Markt im Corporate Banking wird immer anspruchsvoller: Zum einen erwarten die Unternehmen als Kunden der Banken, dass deren Firmenkundenbetreuer die Denkweise der Unternehmens- (bzw. Firmen-) kunden kennen und es verstehen, für die jeweiligen Finanzierungsfragen passgenaue Lösungen zu präsentierten. Zum anderen ist es für die Firmenkundenbetreuer unerlässlich, betriebswirtschaftliches Rüstzeug im Gepäck zu haben, um die Chancen und Risiken der Geschäftsmodelle der Kunden im Corporate Banking so einschätzen zu können, dass sie gute Geschäfte im Interesse der Banken abschließen und auf schlechte Geschäfte verzichten.

Zum ersten Anspruch: Die Gesprächspartner der Banken im Corporate Banking (synonym dafür soll in diesem Buch der Begriff „Firmenkundengeschäft“ verwendet werden) sind in der Regel Vorstände, Geschäftsführer oder Kaufmännische Leiter, die das Finanzmanagement ihres Unternehmens verantworten. Will die Bank diesen Personenkreis beraten, muss der Firmenkundenbetreuer genau wissen, mit welchen Instrumenten und Methoden im Finanzmanagement gearbeitet wird. Denn nur dann kann die Problematik, die der Firmenkunde an die Bank heranträgt, einer richtigen und vor allem für den Kunden zufrieden stellenden Lösung zugeführt werden. Voraussetzung dafür ist, dass der Kundenberater die gleiche Sprache spricht wie sein Gegenüber und sich auch in die ihm vorgetragenen Probleme hineinversetzen kann. Ist dies der Fall, gewinnt er das Vertrauen des Firmenkunden und damit auch das Geschäft.

Zum zweiten Anspruch: Gemäß Basel II sollen die Kreditinstitute angehalten werden – sorgfältiger als vielleicht in der Vergangenheit geschehen – sich genauer mit den Chancen, aber vor allem mit den Risiken der Firmenkunden auseinanderzusetzen. Dazu ist es für den Kundenbetreuer unerlässlich, sich mit dem Geschäftsmodell seiner (potenziellen) Kunden auseinanderzusetzen. Er soll verstehen, in welchen Märkten sich der Firmenkunde bewegt und mit welchem Zusatznutzen er in welcher Form und in welcher Höhe an den angebotenen Leistungen verdient. Dazu ist es nicht nur notwendig, sich mit den Kundenmärkten der Firmenkunden zu beschäftigen, sondern auch mit deren Wettbewerbern und den Geschäftsprozessen, die dem Geschäftsmodell zugrunde liegen. Am Ende der Untersuchung soll der Firmenkundenbetreuer (und die weiteren ihn unterstützenden Mitarbeiter der Bank) sowohl eine qualitative als auch quantitative Bewertung des Unternehmens vornehmen können. Basel II fordert dies zwar nicht explizit; allerdings sind ohne solche Bewertungen keine Ratings möglich, die Kernbestandteil der Regelungen von Basel II sind. Auch für die Bewertung von Unternehmen (kurz: Unternehmensbewertung) ist die Kenntnis über die Instrumente und Methoden im Finanzmanagement unerlässlich.

Vor diesem Hintergrund reicht es nicht aus, in diesem Buch lediglich die Produkte des Corporate Banking vorzustellen. Daneben ist es notwendig, sich mit dem Finanzmanagement der Firmenkunden zu beschäftigen; um einerseits ein besseres Verständnis für das Treffen von Entscheidungen aus der Sichtweise der Firmenkunden zu gewährleisten und um andererseits eine Grundlage für die Durchführung von Unternehmensbewertungen als Teil des Rating-Prozesses zu erhalten.

Dazu sollen zunächst die Grundlagen des Finanzmanagements vermittelt werden, die wie eine Art „Toolbox“ diejenigen Basiselemente darstellen, die zum Verständnis der wichtigsten Fragestellungen des Finanzmanagements notwendig sind: Mit welcher Methodik sollten im Finanzmanagement der Firmenkunden Investitions- und Finanzierungsentscheidungen getroffen werden, um zu optimalen Entscheidungen zu gelangen?

Um sich dieser Methodik zu nähern, erfolgt zunächst eine Darstellung unter vereinfachenden Prämissen, die zwar nicht der Realität entsprechen, aber für das Verständnis der Grundidee förderlich sind. Danach werden diese Annahmen schrittweise aufgehoben und an die realen Gegebenheiten angepasst. Nur so können komplexe Zusammenhänge reduziert, verständlich gemacht und dann einer Lösung zugeführt werden. Gleichzeitig werden dadurch die Grenzen und Schwächen der beschriebenen Instrumente offensichtlich.

Auch die Trennung der Fragestellungen im Finanzmanagement in separate Investitions- und Finanzierungsentscheidungen folgt dem Muster der Reduzierung komplexer Sachverhalte, denn in der Praxis ist es kaum möglich, die Investitions- von der Finanzierungsentscheidung abzukoppeln.

Die Zusammenführung der angewandten Instrumente und Methoden bei Investitions- und Finanzierungsentscheidungen erfolgt im Rahmen der Unternehmensbewertung. Denn die Bewertung von Unternehmen stellt den komplexesten Teil betriebswirtschaftlicher Fragestellungen dar, da nicht nur die Methodik der Bewertung von Investitionen ausreichend für die Wertermittlung ist, sondern zusätzlich Überlegungen zur zugrunde liegenden Finanzierung, zu Steuer- oder auch Bilanzierungsaspekten angestellt werden müssen.

Somit ist das Kapitel Finanzmanagement der Firmenkunden einerseits ein eigenständiges Kapitel, um die Firmenkundenbetreuer und auch andere Kollegen, die zu deren Unterstützung zur Verfügung stehen, in die Lage zu versetzen, auf der Grundlage eines vom Firmenkunden an die Bank herangetragenen Problems mögliche Lösungen abzuwägen, Lösungsalternativen zu entwickeln und als kompetente Gesprächspartner des Finanzmanagements aufzutreten. Andererseits stellt dieses Kapitel auch eine Hinführung zur Unternehmensbewertung als Teil des Rating-Prozesses von Kreditinstituten dar.

2.2 Grundlagen des Finanzmanagements

2.2.1 Shareholder-Value-Ansatz

2.2.1.1 Grundidee

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Aufgrund des glänzenden Geschäftsverlaufs hat die Value AG einen so hohen Bestand an überschüssigen finanziellen Mittel erwirtschaftet, dass sich der Vorstand überlegt, einen kleineren Konkurrenten, die Syngo GmbH, aufzukaufen. Die Syngo GmbH betätigt sich im gleichen Geschäftssegment wie die Value AG, so dass der Erwerb zu einer Reihe von Synergieeffekten führen würde. Dieses Einsparpotenzial würde die Profitabilität der Value AG in den kommenden Jahren entscheidend verbessern. Trotzdem werden die Pläne des Vorstandes nicht überall mit Begeisterung aufgenommen.

Wenn man regelmäßig die Presse verfolgt, kann man gelegentlich den Eindruck bekommen, dass Unternehmen vor allem deshalb existieren, um die persönlichen Eitelkeiten bzw. Interessen des Managements zu befriedigen. Dies ist aber keineswegs der Fall, denn die Existenz von Unternehmen beruht auf den Vertragsbeziehungen verschiedener Parteien, die bei unternehmerischen Entscheidungen allesamt mit ins Kalkül einbezogen werden müssen. Denn jede der Parteien verfolgt mit dem Eingehen der Vertragsbeziehung ihre eigenen Interessen: Viele Manager führen ein Unternehmen, um ihr Streben nach Unabhängigkeit, Einfluss und Vermögen zu befriedigen. Die Kapitalgeber versprechen sich durch die Bereitstellung von Kapital eine feste oder möglichst hohe Verzinsung. Die Arbeitnehmer erwarten eine angemessene Bezahlung und einen krisensicheren Arbeitsplatz. Kunden und Lieferanten sind ebenfalls Interessengruppen (Stakeholder), die sich durch die Geschäftsverbindung zum Unternehmen einen eigenen Vorteil in Form von guten Produkten bzw. einer festen Absatzbasis versprechen. Und nicht zuletzt der Staat erwartet von den Unternehmen einen soliden Beitrag zum Steueraufkommen:

Interessengruppen eines Unternehmens

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Abbildung 2.1

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Der beabsichtigte Erwerb der Syngo GmbH durch den Vorstand der Value AG stößt bei einer Reihe von Interessengruppen auf Vorbehalte: Die Arbeitnehmer befürchten durch das Zusammenlegen von Geschäftsprozessen zur Realisierung der Synergieeffekte den Wegfall von Arbeitsplätzen und zwar nicht nur bei der Syngo GmbH, sondern auch bei der Value AG. Aufgrund der steigenden Marktmacht der Value AG erwarten die Kunden steigende Preise, die sie aufgrund fehlender Alternativen im Inland nicht kompensieren können.

Damit sind bei Entscheidungen, die das Management als Repräsentant des Unternehmens trifft, die jeweiligen Einflussfaktoren der betroffenen Interessengruppe zu berücksichtigen. Entscheidungen im Unternehmen können somit nicht isoliert gesehen werden, sondern immer nur im Zusammenhang mit den auf das Unternehmen einwirkenden Interessen.

Betrachtet man das Finanzmanagement, beschäftigt sich dieses hauptsächlich mit Investitions- und Finanzierungsentscheidungen. Weil deren Auswirkungen in erster Linie die Eigen- und Fremdkapitalgeber betreffen, sollen sich die weiteren Überlegungen auf diese Interessengruppen beschränken. Eigenkapitalgeber stellen besondere Stakeholder dar, da sie durch ihren Kapitaleinsatz die Existenz von Unternehmen überhaupt erst in Gang setzen; sie werden als Shareholder bezeichnet.

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Der Vorstand der Value AG erwartet durch den Kauf der Syngo GmbH über den Zuwachs an Umsatz und Mitarbeitern einen Macht- und Prestigegewinn. Außerdem kann der Vorstand davon ausgehen, dass der Aufsichtsrat ihm aufgrund der gestiegenen Verantwortung ein höheres Gehalt genehmigt. Gemäß der in Verbindung mit dem Erwerb der Syngo GmbH vorgelegten Planung wird aber auch erwartet, dass der an die Aktionäre ausschüttbare Jahresüberschuss in den folgenden beiden Jahren sinkt, weil die Integration und Realisierung der Synergiepotenziale zunächst ergebnismindernd wirkt. Der aus Sicht des Vorstandes der Value AG als optimal angesehene Kauf der Syngo AG wird damit nicht notwendigerweise auch für die Eigenkapitalgeber (Shareholder) vorteilhaft sein.

Die Aufgabe des Finanzmanagements besteht nun darin, optimale Investitions- und Finanzierungsentscheidungen zu treffen. Dazu muss allerdings die Zielsetzung bekannt sein, die das Finanzmanagement zu verfolgen hat, denn eine Entscheidung ist nur dann optimal, wenn sie im Sinne dieser Zielsetzung diese am besten erfüllt.

Im Rahmen der Betrachtung von Investitions- und Finanzierungsentscheidungen wird sich aus Vereinfachungsgründen in den folgenden Kapiteln lediglich auf rationale und damit finanzielle Ziele beschränkt. Danach wird der Shareholder-Value-Ansatz von zwei zentralen Überlegungen abgeleitet:

• Die Abbildung von Investitionsobjekten und Finanzierungsmaßnahmen erfolgt durch Zahlungen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Zahlungen, die zu verschiedenen Zeitpunkten anfallen, einen unterschiedlichen Wert aufweisen. Sie werden durch Abzinsung auf einen Bezugszeitpunkt, in der Regel t0, vergleichbar gemacht (Barwert-Konzept).

• Sämtliche Investitions- und Finanzierungsentscheidungen werden getroffen, um eine Maximierung des Vermögenswertes der Eigenkapitalgeber zu erreichen (Marktwertmaximierung).

2.2.1.2 Barwert-Konzept

Das Barwert-Konzept beruht auf der Tatsache, dass finanzielle Mittel, über die ein Wirtschaftssubjekt (z. B. Unternehmen oder Eigenkapitalgeber) sofort verfügen kann, einen anderen Wert aufweisen als finanzielle Mittel, über die die Verfügung des Wirtschaftssubjektes erst in der Zukunft möglich ist. Dafür ist die Existenz von Zinsen verantwortlich, die als

• ein Entgelt für die zeitliche Überlassung finanzieller Mittel bzw.

• eine Prämie für einen zeitlich begrenzten Liquiditätsverzicht

interpretiert werden können. Ein Wirtschaftssubjekt hat also die Wahl, finanzielle Mittel sofort für Konsum oder Investitionen auszugeben oder die finanziellen Mittel anzulegen und für den Verzicht für die Verfügung über die finanziellen Mittel als Entgelt Zinsen zu erhalten.

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Max Lustig hat die Wahl, von seinem Onkel entweder heute 1.000 EUR geschenkt zu bekommen oder in einem Jahr 1.100 EUR. Um zu entscheiden, welche Variante des Geschenks er annehmen soll, geht Max Lustig zu seiner Hausbank und lässt sich beraten, wie hoch der Zinssatz ist, den er bei einer sofortigen Anlage von 1.000 EUR erhalten würde. Die Hausbank bietet ihm für eine Festgeldanlage von einem Jahr einen Zinssatz von 3 % an. Max Lustig würde nach einem Jahr also 1.000 EUR * 1,03 gleich 1.030 EUR von seiner Hausbank erhalten. Wenn es Max Lustig also gleichgültig ist, wann er die Anschaffung seines heiß ersehnten Flachbildschirms vornimmt (sofort oder in einem Jahr), Max Lustig also alleine aufgrund rationaler bzw. finanzieller Ziele seine Entscheidung trifft (wie im Finanzmanagement üblich), würde er sich für das Geschenk seines Onkels in Höhe von 1.100 EUR in einem Jahr entscheiden.

Der im Beispiel vorgenommene Vergleich betrifft die finanziellen Mittel, über die das Wirtschaftssubjekt in einem Jahr verfügen kann (1.100 EUR zu 1.030 EUR). Der aus der Anlage resultierende Betrag kommt dadurch zustande, indem der Anlagebetrag für ein Jahr mit 3 % verzinst (oder aufgezinst) wird; da die finanziellen Mittel aus der Anlage in Höhe von 1.030 EUR erst in einem Jahr verfügbar sind, wird der aufgezinste Betrag auch als Zukunftswert (Future Value) bezeichnet.

Im Finanzmanagement werden üblicherweise finanzielle Mittel nicht durch Aufzinsung mit Hilfe des Zukunftswertes vergleichbar gemacht, sondern durch Abzinsung (Diskontierung) mit dem Barwert (Present Value). Dazu werden finanzielle Mittel (in der Regel Zahlungen), die zu verschiedenen Zeitpunkten dem Unternehmen als Einzahlungen (E) zufließen (oder auch als Auszahlungen (A) abfließen) auf einen Bezugszeitpunkt, der zu Beginn des Betrachtungszeitraums liegt, vergleichbar gemacht.

In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass Entscheidungen im Finanzmanagement in der Regel in Zahlungsreihen abgebildet werden: Die mit einer Entscheidung (z.B. Erwerb einer maschinellen Anlage) während einer Periode (t) anfallenden Zahlungen werden aus Vereinfachungsgründen auf den Endzeitpunkt der Periode übertragen. Es wird also so getan, als ob die während der Periode anfallenden Zahlungen erst am Ende der Periode zu diesem Zeitpunkt anfallen würden; damit wird der Vergleich rechenbar. Unter einer Periode wird im allgemeinen ein Jahr verstanden (so wie in diesem Buch), aber auch kürzere Zeiträume sind denkbar, führen aber zu unterjährigen Verzinsungen, die komplexere Rechenoperationen bedingen, die in diesem Buch nicht betrachtet werden sollen.

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Die Value AG erwirbt eine Produktionsanlage zur Herstellung eines neuartigen Behälters für Bluttransfusionen. Im Laufe des ersten Jahres erwartet die Value AG aus dem Verkauf der Behälter einen Umsatzerlös von 15 Mio. EUR, im zweiten Jahr von 40 Mio. EUR und im dritten Jahr von 72 Mio. EUR. Im Anschluss daran wird die Investition in eine größere Produktionsanlage überlegt. Für die erworbene Produktionsanlage ergibt sich für die geplanten drei Jahre (t1 bis t3) eine Abbildung der Umsatzerlöse als Einzahlungen (Et) mit nachfolgender Zahlungsreihe, wobei Einzahlungen mit einem positiven Vorzeichen und Auszahlungen mit einem negativen Vorzeichen versehen sind (in Mio. EUR):

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Der Barwert (B0) einer Zahlungsreihe ist nichts anderes als der abgezinste (diskontierte) Wert der mit der Zahlungsreihe verbundenen Zahlungen und damit der Wert der Zahlungsreihe zum Bezugszeitpunkt t0.

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Die Value AG verspricht ihrer Mitarbeiterin Maxi Wichtig in den kommenden drei Jahren eine feste Tantieme auf den Gewinn auszubezahlen und diese auf eine anstehende, einmalige Sonderzahlung anzurechnen. Die Zahlungen sollen jeweils am Ende des Jahres zum 31.12. in Höhe von zunächst EUR 7.000, dann EUR 9.500 und zuletzt EUR 12.000 erfolgen.

Die Tantiemezahlungen (E) lassen sich in einer Zahlungsreihe wie folgt abbilden (in EUR):

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Maxi Wichtig hat nun erfahren, dass ihr Kollege Hansi Untüchtig eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von 17.500 EUR erhalten soll, dafür aber in den nächsten drei Jahren auf seine Tantieme verzichtet. Sie geht deshalb zu ihrer Hausbank und erfragt den zurzeit gültigen Zinssatz für dreijährige Anlagealternativen. Ihr Anlageberater rät ihr zu einem Zinszertifikat mit einer Laufzeit von drei Jahren und einer festen Verzinsung von 5 %. Mit diesem Zinssatz ermittelt Maxi Wichtig den Barwert der ihr versprochenen Tantiemezahlungen:

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Zufrieden geht Maxi Wichtig nach Hause, denn sie weiß nun, dass die ihr von der Value AG versprochene Tantieme um einiges höher ist als die Sonderzahlung, die ihr Kollege Hansi Untüchtig erhält. Denn der von ihr errechnete Barwert der Tantiemezahlungen im Zeitpunkt t0 ist nichts anderes als eine gleichwertige Sonderzahlung in t0. Maxi Wichtig würde sich somit bei einer Sonderzahlung in t0 in Höhe von 25.649,50 EUR nicht schlechter stehen als bei dem Angebot der Value AG auf Zahlung der versprochenen Beträge in den nächsten drei Jahren.

Damit stellt der Barwert der Zahlungsreihe in Höhe von EUR 25.649,50 das Äquivalent der Zahlungsreihe im Zeitpunkt t0 dar. Der Barwert kann also auch als der Marktpreis der Zahlungsreihe am Kapitalmarkt mit einer Verzinsung von 5 % im Zeitpunkt t0 bezeichnet werden: Kein Marktteilnehmer würde einen höheren Betrag für den Kauf für diese Zahlungsreihe bezahlen und kein Verkäufer wäre bereit, einen geringeren Betrag für den Verkauf zu verlangen, ohne sich schlechter zu stellen als bei einer sukzessiven Zahlung von t1 bis t3.

2.2.1.3 Marktwertmaximierung

Sollen Investitions- und Finanzierungsentscheidungen getroffen werden, sind diese dann optimal, wenn sie zu einer Maximierung des Vermögenswertes der Eigenkapitalgeber führen. Auf dieser Zielsetzung beruht der Shareholder-Value-Ansatz, der davon ausgeht, dass das Management von Unternehmen unternehmerische Entscheidungen im Sinne der Eigenkapitalgeber (Shareholder) zu treffen hat. Die Sichtweise, dass die Vermögenswert- oder auch Marktwertmaximierung die Zielsetzung betriebswirtschaftlichen Handels darstellt, hat sich in den letzten Jahren durchgesetzt und die früher vorherrschende Gewinn- oder Nutzenmaximierung vollständig abgelöst.

Der Shareholder-Value-Ansatz beruht auf der Überlegung, dass die Eigenkapitalgeber keine homogene Interessengruppe sind, sondern viele Einzelinteressen vorherrschen. Dies bedeutet, dass z. B. der Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft alle Aktionäre nach ihren Rendite-Risiko-Präferenzen fragen müsste, ob also die Aktionäre lieber eine hohe Rendite bei hohem Risiko oder eher eine niedrigere Rendite bei entsprechend niedrigerem Risiko in Kauf nehmen würden. Steht also der Vorstand vor der Entscheidung, eine Investition durchzuführen, müssten alle Aktionäre nach ihren Präferenzen bzgl. der Rendite-Risiko-Präferenz befragt werden. Dass dies bei möglicherweise mehreren tausend Aktionären nicht möglich ist, liegt eindeutig auf der Hand. Deshalb trifft man Entscheidungen nach dem Shareholder-Value-Konzept: Das Management hat Entscheidungen so zu treffen, dass der Marktwert der Gesellschaftsanteile jederzeit den möglichst höchsten Wert aufweist (Marktwertmaximierung). Ist dies der Fall, können die Shareholder jederzeit ihre Anteile am Kapitalmarkt veräußern und in Anteile von anderen Unternehmen tauschen, die eine für den Eigenkapitalgeber eher zutreffende Rendite-Risiko-Präferenz aufweisen.

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Die Value AG erwirbt im Rahmen einer weiteren Investition Anteile eines Unternehmens in Russland. Hierbei wird von einer hohen Rendite auf das eingesetzte Kapital ausgegangen; allerdings ist auch das Risiko aufgrund der instabilen politischen Lage als hoch einzuschätzen. Einer Reihe von Aktionären der Value AG erscheint die Rendite-Risiko-Relation als zu ungünstig. Sie verkaufen daher ihre Aktien an der Value AG und erwerben dafür Aktien von Unternehmen, die zwar eine niedrigere erwartete Rendite bei aber auch vergleichsweise niedrigerem Risiko planen.

Dies bedeutet, dass die grundlegende Zielsetzung für Investitions- und Finanzierungsentscheidungen die Maximierung des Anteils der Eigenkapitalgeber am gesamten Unternehmenswert im betrachteten Zeitpunkt t0 (VEK0) darstellt (Shareholder-Value-Ansatz). Dabei werden die in den zukünftigen Jahren an die Anteilseigner fließenden Zahlungen bzw. der den Eigenkapitalgebern zustehende frei verfügbare Cashflow (Free Cashflow = FCFEKt) auf den Zeitpunkt t0 mit einem Zinssatz für die alternative Mittelverwendung der Eigenkapitalgeber (iEK) abgezinst (Barwert-Konzept):

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Die Bewertung des Vermögenswertes aus Sicht der Eigenkapitalgeber ist nichts anderes als ein Vergleich: Das zu bewertende Wirtschaftsobjekt (z. B. ein Unternehmen oder auch nur eine Division eines Unternehmens) wird im Zähler durch den Free Cashflow repräsentiert, der aus dem Wirtschaftsobjekt in Zukunft fließen soll. Das zur Bewertung heranzuziehende Alternativobjekt wird im Nenner durch die entsprechende Verzinsung abgebildet. Wobei für die Bewertung sichergestellt werden muss, dass das Bewertungsobjekt im Zähler mit einer gleichwertigen (äquivalenten) Alternative im Nenner vergleichbar sein muss (Äquivalenzprinzip).

Der Shareholder-Value-Ansatz ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass Unternehmen Mittel zum Zweck sind, um den Eigentümern Einkommen in Form von Zahlungen für die volkswirtschaftlich letzte Verwendung, den Konsum, zur Verfügung zu stellen. Je höher der Zuwachs des Shareholder Value bzw. der Konsumbeitrag von Investitions- und Finanzierungsentscheidungen ist, umso besser werden sie aus Sicht der Anteilseigner beurteilt.

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