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Kompendium bankbetrieblicher
Anwendungsfelder

Herausgeber:
Frankfurt School of Finance & Management

Prof. Dr. Markus Rudolf
Jun.-Prof. Dr. Katrin Baedorf (Hg.)

Private Banking

Unter Mitarbeit von:
Dipl.-Kfm. Marc Engelbrecht,
Dr. Carsten Horn,
Dipl.-Kfm. Benjamin Meiers,
Dr. Elisabeth Rudolf-Sipötz,
Prof. Dr. Deborah Schanz
Prof. Dr. Sebastian Schanz,
Dipl.-Kfm. Christian Schilling und
Dipl.-Kfm. Volker Seiler

2. Auflage 2011

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Legende:

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Einstieg

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Definition

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Beispiel

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Verweis

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Aufgaben

Besuchen Sie uns im Internet: http://www.frankfurt-school-verlag.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

2. Auflage 2011© Frankfurt School Verlag GmbH, Sonnemannstraße 9-11,60314 Frankfurt am Main

Vorwort

Die Frankfurt School of Finance & Management, kompetenter Bildungspartner des Kreditgewerbes, bietet engagierten Nachwuchskräften von Banken an, sich für anspruchsvolle Fach- und Führungsaufgaben zu qualifizieren: Das dreistufige Qualifikationsprofil Bankfachwirt-, Bankbetriebswirt- und Management-Studium hat sich erfolgreich in der Bankindustrie Deutschlands etabliert und bewährt.

Das aus neun Modulen bestehende Kompendium bankbetrieblicher Anwendungsfelder ist für Studierende des Bankbetriebswirt-Studiums konzipiert und mit dem Curriculum entsprechend abgestimmt. Zusätzlich ist das Werk auch für Studierende der Hochschulen und für Praktiker als Studienbuch gut geeignet.

Es hat sich als Medium zur Weiterentwicklung der fachlichen, persönlichen und sozialen Kompetenz bewährt. Die enge Verknüpfung von Theorie und Praxis hat dieser Fachbuchreihe ein klares eigenständiges Profil gegeben.

Die positive Resonanz unserer Leser bewegt uns, die Fachbuchreihe auf dieser Linie konsequent weiter zu entwickeln. Sämtliche Fachbücher werden didaktisch und inhaltlich grundlegend überarbeitet.

Der vorliegende Band beschäftigt sich mit einem wichtigen und spannenden Bereich des Bankings, der bisher dennoch und erstaunlicherweise wenig in der Forschung und der Lehre wahrgenommen wird. Der Grund für die relativ dürftige wissenschaftliche Abdeckung dieses Gebietes liegt vermutlich in seiner Interdisziplinarität. Private Banking ist selbstverständlich eine finanzwirtschaftliche Disziplin. Sie ist aber zweifellos auch eine Disziplin, die stark von der persönlichen Bindung des Kunden abhängt. Somit spielen auch Ansätze aus dem Marketing eine große Rolle, wenn man für das Gebiet des Private Banking einen wissenschaftlichen Zugang sucht. Schließlich spielen auch steuerliche Fragen und rechtlich institutionelle Fragen, wie beispielsweise das Bankgeheimnis, eine wichtige Rolle, wenn man das Feld systematisch bearbeiten möchte. Das vorliegende Buch trägt zu einer didaktischen Aufbereitung von wissenschaftlichen Ansätzen im Geschäftsfeld Private Banking bei. Es ist interdisziplinär und an konkreten Problemlösungen interessiert. Darüber hinaus dürfte es zumindest im deutschsprachigen Raum das erste Buch sein, welches Private Banking systematisch wissenschaftlich aufarbeitet.

In didaktischer Hinsicht wird besonderer Wert auf die weitere Stärkung des Praxisbezuges der dargebotenen Inhalte gelegt. Zusätzliche Fallbeispiele erleichtern und vertiefen das Verständnis. Konkrete Einstiege und Schlüsselbegriffe zu Beginn sowie Zusammenfassungen und Arbeitsaufgaben am Ende der Kapitel unterstützen das Selbststudium unserer Studierenden und Leser.

Unser Dank gilt den Studierenden, Dozenten und Praktikern, die zur Weiterentwicklung des Kompendiums bankbetrieblicher Anwendungsfelder beigetragen haben. Ganz besonders danken wir unseren Autoren für ihren Einsatz bei der Umsetzung der Anregungen sowie der fachlichen und didaktischen Weiterentwicklung dieses Bandes.

Prof. Dr. Udo Steffens

Präsident und Vorsitzender der Geschäftsführung

der Frankfurt School of Finance & Management

Inhaltsverzeichnis

 

Vorwort

 

Inhaltsverzeichnis

 

Einleitung

1

Grundlagen des Private Banking – Akteure und Geschäftsmodelle

1.1

Einleitung

1.2

Erste Eingrenzung von Private Banking-Dienstleistungen

1.3

Charakteristika der Nachfragerseite im Private Banking

1.4

Charakteristika der Anbieterseite im Private Banking

1.4.1

Anbietergruppen im Private Banking

1.4.2

Strukturmerkmale von Anbietern im Private Banking

1.5

Geschäftsmodelle und ihre Relevanz im Private Banking

1.6

Abschließende Betrachtung

1.7

Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

2

Fallstudie – Akteure und Geschäftsmodelle

2.1

Einleitung

2.2

Eingrenzung des Zielkundenmarkts für die First Retailer

2.3

Markt- und Wettbewerberanalyse im Zielkundenmarkt

2.4

Konkretisierung der Geschäftsmodelldimensionen für First Retailer

2.5

Planung der Implementierung des Geschäftsmodells

3

Steuerliche Rahmenbedingungen des Private Banking in Deutschland

3.1

Einleitung

3.2

Einführung in die Einkommensteuer

3.2.1

Das Schema zur Ermittlung des Einkommens

3.2.2

Zinserträge

3.2.3

Beteiligungen an Kapitalgesellschaften

3.2.4

Beteiligungen an Personenunternehmen

3.2.5

Immobilien

3.2.6

Beschränkte Verlustverrechnung

3.2.7

Besteuerung ausländischer Einkünfte

3.3

Wegzug ins benachbarte Ausland: Ist die Besteuerung in Österreich oder der Schweiz vorteilhaft?

3.4

Einführung in die Erbschaft- und Schenkungsteuer

3.5

Zusammenfassung und Aufgaben

4

Anlageklassen des Private Banking im Überblick

4.1

Aktien und Private Equity (Eigenkapital)

4.1.1

Aktien

4.1.2

Privates Beteiligungskapital (Private Equity)

4.2

Geld-, Kapital- und Devisenmarkt

4.2.1

Geldmarkt

4.2.2

Verzinsliche Wertpapiere

4.2.3

Devisen

4.3

Grund und Boden

4.3.1

Immobilien

4.3.2

Landbesitz

4.3.3

Commodities

4.4

Absolute Return-Produkte

4.4.1

Hedgefonds

4.4.2

Strukturierte Produkte

4.5

Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

5

Exotische Anlageklassen

5.1

Alternativer Risikotransfer

5.2

Projekt- und themenbezogene Anlagen

5.2.1

Projektfonds

5.2.2

Zukunftsthemen

5.2.3

Infrastruktur

5.3

Investitionen aus Leidenschaft

5.4

Zusammenfassung und Arbeitsaufgabe

6

Verteilungseigenschaften klassischer und innovativer Anlageklassen

6.1

Renditen und Renditeverteilungen

6.1.1

Renditen von Anlagen

6.1.2

Renditeverteilungen

6.2

Vier Momente beschreiben die Wertentwicklung der Anlagen

6.2.1

Erwartungswert – Mittelwert der Renditen

6.2.2

Volatilität – Schwankung der Renditen

6.2.3

Schiefe – Asymmetrie der Renditeverteilung

6.2.4

Wölbung/Kurtosis – Auftreten von extremen Renditen

6.3

Präferenzen für Momente

6.4

Renditeverteilungen ausgewählter Anlageklassen

6.4.1

Korrelation der sieben Anlageklassen und des Wechselkurses

6.5

Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

7

Fallstudie: Anlageklassen in Boom und Krise

7.1

Renditen und Verlustrisiken des Private-Banking-Anlageuniversums

7.2

Anlageentwicklung während Aktienboom und -krise

7.3

Optimale Portfolios – für erwartete Renditen und in der Krise

7.4

Lösungen

8

Illiquidität als Besonderheit im Private Banking

8.1

Einleitung

8.2

Relevante Aspekte der Illiquidität im Private Banking

8.3

Umgang mit fehlender Datenverfügbarkeit bei Private Equity

8.4

Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

9

Ganzheitliche Asset Allocation

9.1

Einleitung

9.2

Schiefe und Illiquidität

9.3

Portfoliooptimierung bei illiquiden Anlagen

9.4

Portfoliooptimierung bei Schiefe

9.5

Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

10

Performance Messung von Kundenportfolios im Private Banking

10.1

Einleitung

10.2

Methodische Anforderungen der Performance Messung im Allgemeinen und im Private Banking

10.2.1

Detailfragen bei der Messung von Renditen

10.2.2

Bewertung des Risikos in der Performance Messung für HNWIs

10.2.3

Sonstige Bewertungsdimensionen

10.2.4

Vergleichsform im Kontext der Anlagestrategie

10.2.5

Abgrenzung des Bewertungsgegenstands

10.3

Modelle der Performance Messung und Anwendbarkeit im Private Banking

10.3.1

Klassische Modelle der Performance Messung

10.3.2

Quotientenmodelle mit alternativen Risikomaßen

10.3.3

Mehrfaktormodelle

10.3.4

Mehrdimensionale Scoringmodelle

10.4

Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

11

Asset Management und Behavioral Finance

11.1

Rationalität

11.2

Rationalität und menschliches Verhalten

11.3

Prospect Theory und Asset Management

11.4

Mental Accounting und Asset Management

11.5

Prospect Theory und strukturierte Produkte

11.6

Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

12

Customer Relationship Management im Private Banking

12.1

Warum rückt das CRM in den Mittelpunkt des Interesses?

12.2

Grundlagen des CRM im Private Banking: Definition, Ziele und Prinzipien

12.3

CRM Managementmodell – Rahmenbedingungen einer erfolgreichen Implementierung

12.4

Kundenanalyse

12.5

Management der Kundenbeziehung

12.5.1

Kundenakquisition

12.5.2

Kundenbindung

12.5.3

Kundenrückgewinnung

12.6

Die Königsdisziplin im Private Banking: Kommunikation mit dem Kunden

12.7

Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

13

Nachfolgeberatung als Maßnahme zur Bindung von Vermögensnachfolgern

13.1

Aktuelle Marktentwicklung – Chancen und Risiken

13.2

Einsatz von Nachfolgeplanung im Private Banking

13.3

Bindungswirkung von professionellen Zusatzdienstleistungen

13.4

Empirische Analyse des Beitrags der Nachfolgeplanung zur Bindung der Vermögensnachfolger

13.5

Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

14

Kundenzufriedenheitsmessung im Private Banking

14.1

Einleitung

14.2

Wirtschaftliche Bedeutung von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung

14.3

Determinanten der Kundenzufriedenheit und -bindung im Private Banking

14.4

Managementorientierte Ableitung von Handlungsempfehlungen

14.5

Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

15

Fallstudie zur Qualitätsmessung und Kundenzufriedenheit im Private Banking

15.1

Das Unternehmen

15.2

Dienstleistungsqualität und Kundenzufriedenheit

15.3

Die Vorstandssitzung

15.4

Interviews mit Kundenberatern

15.5

Die Kundenbefragung

15.6

Lösungen

16

Rating der Private Banking-Dienstleistungsqualität

16.1

Motivation und Zielsetzung

16.2

Private Banking-Rating zur Kundenzufriedenheit

16.3

Mögliche Ausbausstufen

16.4

Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

17

Anlagestrategien von Stiftungen

17.1

Einleitung

17.2

Anlagestrategien von Stiftungen

17.3

Das Anlageuniversum der Universitätsfonds

17.4

Der Anlageerfolg der Universitätsfonds

17.5

Zusammenfassung und Arbeitsaufgaben

18

Kurzbiografien der Autoren

19

Stichwortverzeichnis

20

Literaturverzeichnis

Einleitung

Nach den Entwicklungen der letzten Jahre stellt der Private Banking Markt mehr denn je eines der spannendsten Geschäftsfelder für Banken und Vermögensverwalter dar. Die ohnehin schon hohen Anforderungen an Anbieter haben sich durch die Entwicklungen im Rahmen der Finanzkrise mit einhergehendem Vertrauensverlust bei Anlegern und herausfordernden Marktsituationen noch weiter verschärft. In der vorliegenden 2. Auflage unseres Buches wird weiterhin der Versuch gemacht, durch eine systematische und didaktische Aufbereitung der relevanten Themenkreise die komplexen Zusammenhänge in diesem Geschäftsfeld verständlich zu machen. Neben der Vermittlung wichtiger Grundlagen sollen dabei wie bereits in der 1. Auflage aktuelle Forschungsergebnisse aus dem Bereich des Private Banking in die Darstellung mit einfließen.

Am Center of Private Banking der WHU - Otto Beisheim School of Management stehen zwei Themenkreise im Zentrum der Forschung. Der erste ist das Asset Management. Hier werden alle quantitativ ausgerichteten Fragen, die mit der Erstellung und Messung der Leistung einer Bank auf dem Gebiet des Private Banking zu tun hat, behandelt. Das zweite Standbein unserer Forschung am Center of Private Banking ist die Qualitätsmessung. Hier geht es auch um weichere Faktoren, die Aspekte aus dem Gebiet des Marketing aufgreifen wie z.B. die Kundenzufriedenheitsmessung. Beide Themengebiete haben aktuell weiterhin eine hohe Relevanz: Die Anwendung systematischer und moderner Methoden im praktischen Asset Management ist bei gestiegener Marktkomplexität und einem erhöhten Bedarf nach Transparenz auf Kundenseite im aktuellen Marktumfeld für einen Anbieter unerlässlich. Ebenso erfordert die Behauptung in einem extrem herausfordernden Wettbewerb ein klares Verständnis der Qualitätstreiber im Private Banking, ohne dieses die Etablierung eines nachhaltig erfolgreichen Geschäftsmodells nicht möglich ist. Wie in der 1. Auflage bilden daher die beiden Themenkreise des Asset Management und der Qualitätsmessung den inhaltlichen Kern des vorliegenden Buches und sollen miteinander verzahnt werden.

Die Änderungen gegenüber der 1. Auflage wurden vor allem vorgenommen, um eine noch höhere Praxisorientierung zu erreichen und die aktuellsten Forschungsergebnisse zu integrieren. So wurden insgesamt drei Fallstudien aufgenommen, die eine umfassende praktische Anwendung einzelner Inhalte vorangegangener Kapitel unmittelbar ermöglicht. Nahezu alle Kapitel wurden mit aktuellen Analysen und Forschungsergebnissen angepasst. Im Themenkreis der Qualitätsmessung wurde gemäß neuer Forschungsergebnisse der Aspekt der Kundenzufriedenheitsmessung stärker in den Vordergund gerückt und die erste Anwendung eines Ratingverfahrens auf den Private Banking Markt integriert. Neu aufgenommen wurde zudem ein Kapitel zur Bindung von Erben, da dieses Thema aufgrund des demografischen Wandels gerade im Markt mit deutschen Kunden eine hohe Relevanz besitzt. Das in der 1. Auflage noch enthaltene Kapitel zu Rahmenbedingungen im Zuge der MiFID ist dagegen aufgrund einer geringeren Aktualität nicht mehr enthalten. Ebenso wurde auf ein eigenes Kapitel zu Grundlagen der Asset Allocation verzichtet, um stattdessen einen stärkeren Fokus auf die im Private Banking spezifischen Herausforderungen des Asset Management zu legen.

Die 2. Auflage ist in siebzehn Kapitel untergliedert, wobei jedes für sich alleine verständlich ist. Trotzdem ergänzen sie sich zu einer Gesamtbetrachtung des Private Banking aus wissenschaftlicher Sicht. Das erste Kapitel, das gemeinsam mit Benjamin Meiers und Christian Schilling erstellt wurde, beschäftigt sich mit der Analyse des Private Banking-Marktes, vorwiegend in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die hier vermittelten Erkenntnisse zu Akteuren und Geschäftsmodellen werden in einer Fallstudie im zweiten Kapitel praktisch angewendet. Das dritte Kapitel von Deborah Schanz und Sebastian Schanz beschäftigt sich mit den steuerlichen Rahmenbedingungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Es zeigt einige vielleicht überraschende Resultate, zum Beispiel nämlich, dass Deutschland nicht unbedingt ein unattraktiver, steuerlicher Standort für den Privatanleger ist. Das vierte und fünfte Kapitel von Marc Engelbrecht beschäftigt sich mit Anlageinstrumenten, die von Privatkunden nachgefragt werden. Das Universum an Anlagemöglichkeiten ist im Private Banking wesentlich umfangreicher als im institutionellen Asset Management. Dies zum Teil wegen der unterschiedlichen, steuerlichen Behandlung verschiedener Ertragskategorien, aber auch wegen der unterschiedlichen Bedürfnisse der Privatbankkunden. Im Gegensatz zu institutionellen Asset Managern, die häufig keine Leistungsverpflichtungen abzudecken haben, sind Asset Manager im Private Banking den Konsumzielen ihrer Kunden verpflichtet. Solche, zum Teil sehr ungewöhnlichen Anlagen, wie zum Beispiel Kunst, Wald, Wein etc., zeichnen sich oft entweder durch sehr stark eingeschränkte Liquidität oder zumindest durch nicht normalverteilte Renditen aus. Der klassischen Asset Allocation-Theorie von Markowitz liegt immer die Annahme zugrunde, die Renditen aller Anlagen seien liquide und gemeinsam normalverteilt. Wenn sie das nicht sind, dann sind die klassischen Portfoliooptimierungsverfahren nicht mehr anwendbar. Welche Anlagen normalverteilt sind und welche nicht, mit dieser Frage beschäftigt sich Marc Engelbrecht in seinem sechsten Kapitel. Das siebte Kapitel enthält eine Fallstudie des gleichen Autors, die auf den Kapiteln vier bis sechs aufbaut und das Verhalten verschiedener Anlageklassen in Boom und Krise beleuchtet. Die Frage, welche Anlagen liquide sind und welche nicht, wird im achten Kapitel behandelt. Und es geht darum, wie man eine nicht beobachtbare Wahrscheinlichkeitsverteilung für illiquide Anlagen aus einigen wenigen, beobachtbaren Transaktionen ableiten kann. Nun muss man im nächsten Schritt klären, wie die spezifischen Eigenschaften typischer Private Banking Anlagen in der Asset Allocation berücksichtigt werden können. Dies ist Gegenstand des neunten Kapitels. Hier geht es um die so genannte „ganzheitliche“ Asset Allocation, also um die Anlageoptimierung, wenn die Anlagen entweder illiquide sind oder nicht normalverteilt. Üblicherweise beschränken sich die Client Relationship-Manager in den Banken auf die Optimierung des liquiden Vermögens und lassen illiquide Vermögensbestandteile einfach außen vor. Das könnte beispielsweise die selbst genutzte Immobilie sein oder die eigene Firma, die man nicht ohne weiteres verkaufen kann. Obwohl diese Anlagen typischerweise nicht im Portfoliooptimierungsprozess berücksichtigt werden, dürften sie dennoch eine wichtige Rolle bei der Zusammensetzung des optimalen Portfolios spielen. Eine Unternehmerin, die eine IT-Firma aufgebaut hat und die ihr gehört, wird vermutlich nicht so gerne in Google- oder SAP-Aktien investieren wollen. Sie wird eher in andere Branchen diversifizieren. Das neunte Kapitel zeigt ein Modell auf, wie man solche Probleme analytisch richtig lösen kann. Illiquidität und schiefe Verteilungen beeinträchtigen nicht nur die Asset Allocation-Entscheidung, sondern auch die Performancemessung. Welche Modelle vor diesem Hintergrund für die Performancemessung im Private Banking in Frage kommen, wird im zehnten Kapitel dargestellt. Im elften Kapitel wird eines der derzeit innovativsten Forschungsfelder in der Finance aufgegriffen und auf Private Banking angewandt. Es handelt sich um verhaltenswissenschaftliche Ansätze der Finanzwirtschaft, die so genannte Behavioral Finance. Das Kapitel zeigt, warum Anleger beispielsweise strukturierte Produkte bevorzugen, obwohl deren Risiko-Rendite-Verhältnis ineffizient sein mag. Die Kapitel zwölf bis sechzehn gehören zum zweiten Forschungsfeld des Center of Private Banking, nämlich der Qualitätsmessung. Auch in der allgemeinen Managementliteratur bzw. spezieller, in der Marketingliteratur wurde das Gebiet des Private Banking bisher beinahe gar nicht erfasst. Customer Relationship Management (CRM) ist ein bekannter Ansatz aus der allgemeinen Managementliteratur, der auch im Marketing seinen Niederschlag gefunden hat. Elisabeth Rudolf-Sipötz wendet den CRM-Ansatz auf das Private Banking an. Ein spezieller Aspekt in diesem Themenkreis ist auch die Frage, wie eine möglichst gute Bindung von Erben erreicht werden kann. Dies wird im dreizehnten Kapitel von Benjamin Meiers behandelt. Ein entscheidender Faktor zur Bindung von Kunden im Wettbewerb stellt die Kundenzufriedenheit dar. Während in der Praxis des Private Banking eine Messung dieser bisher vor allem über Mystery Shopping Verfahren versucht wird, beschreibt Volker Seiler im vierzehnten Kapitel ein systematisches Verfahren, mit dem Kundenzufriedenheit auch großzahlig gemessen werden kann. Kapitel fünfzehn beinhaltet eine Fallstudie zur Qualitäts- und Kundenzufriedenheitsmessung von Carsten Horn und Volker Seiler, in der die Erkenntnisse aus Kapitel vierzehn praktisch angewendet und um eine zusätzliche Perspektive der Qualitätsmessung ergänzt werden. Ein umfassender Ansatz der Bewertung einer Dienstleistung ist ein Ratingverfahren. Solche Verfahren existieren bereits für andere Gebiete, wie etwa Investmentfonds, allerdings noch nicht für das Private Banking. Am Center of Private Banking wurde erstmals ein Ansatz für ein Rating im Private Banking entwickelt. Dieser basiert auf der Zusammenführung der Erkenntnisse zur Messung der Kundenzufriedenheit, der Performancemessung sowie einer weiteren Untersuchung der Selbsteinschätzung von Anbietern. Kapitel sechzehn beschreibt eine erste Anwendung eines solchen Verfahrens auf den Private Banking Markt. Dieser liegt ein Datensatz zu Grunde, der 271 Kundenbewertungen und 126 Anbietermeinungen systematisch wiedergibt. Obwohl dieser Datenbestand in der Zukunft noch stark ausbaufähig ist, zeigt Kapitel sechzehn indikativ, wie ein solcher Ratingansatz dazu beitragen kann, die Transparenz im Private Banking Markt zu erhöhen und Schlussfolgerungen über die Stärken und Schwächen der Geschäftsmodelle verschiedener Anbietergruppen zu erhalten. Das letzte, siebzehnte Kapitel beschäftigt sich schließlich mit einem Sondergebiet des Asset Management, nämlich dem Asset Management von Stiftungen. Stiftungsmanagement ist ein Segment des gehobenen Private Wealth-Management. Das Besondere an Stiftungen ist, dass hier nicht die Maximierung des Net Asset Value im Vordergrund steht, wie beispielsweise bei einem Publikumsfonds. Vielmehr geht es darum, einen zugesagten Zahlungsstrom zur Finanzierung des Stiftungszwecks möglichst nachhaltig zu erhalten. Das Konzept, um dieses Ziel zu erreichen, nennt man die Steigerung der Fruchtbarkeit eines Stiftungsvermögens. Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit diesem Konzept und zeigt auf, wie der Yale und der Harvard University Endowment Fund ein solches Konzept in die Tat umsetzen.

Auch die Erstellung der 2. Auflage des Buches wäre nicht möglich gewesen, wenn am Center of Private Banking nicht weiter ideale Forschungsbedingungen bestehen würden. Dies verdanken wir vor allem unseren inzwischen zum Teil langjährigen Förderern, die seit Gründung des Center of Private Banking wesentlich dazu beitragen, dass eine Private Banking spezifische Forschung in dieser Form in Deutschland überhaupt stattfinden kann. Inzwischen wurden erste Dissertationen und Arbeitspapiere fertig gestellt, über die bereits Impulse in die Forschungsgemeinschaft gegeben werden konnten. Wir freuen uns, dass mit dem Erscheinen der 2. Auflage dieses Buches ein weiteres sichtbares Ergebnisses unserer Bemühungen entstanden ist.

Unser größer Dank gebührt ohne jeden Zweifel unserem Hauptsponsor Commerzbank. Persönlich danken wir überaus herzlich Herrn Dr. Thorsten Reitmeyer, der sich weiterhin bei der Bank sehr für uns einsetzt und als Vorsitzender des Beirats im Center of Private Banking maßgeblich zur Unterstützung unserer Forschung beiträgt. Aber auch unsere weiteren Förderer haben entscheidend zum Fortschritt unserer Arbeit beigetragen. Wir danken herzlich der Bank Wegelin, der Bank Vontobel, der Berenberg Bank, der BHF Bank, der Centrum Bank, der Credit Suisse Deutschland AG sowie der DVFA.

Abschließend wünschen wir dem Leser eine weiterhin spannende und lehrreiche Lektüre unseres Buches. Alle Autoren und die Herausgeber sind für Anmerkungen und Kommentare herzlich verbunden.

Vallendar, am 07. Januar 2011

Markus Rudolf
Prorektor und Direktor Center of Private
Banking WHU – Otto Beisheim School of Management

Katrin Baedorf
Commerzbank Juniorprofessur für Private Banking
WHU - Otto Beisheim School of Management

1Grundlagen des Private Banking – Akteure und Geschäftsmodelle

Benjamin Meiers, Christian Schilling, Katrin Baedorf

Schlüsselbegriffe

• Definition Private Banking

• Private Banking-Markt

• Nachfrager im Private Banking

• Anbietertypen und Geschäftsmodelle im Private Banking

1.1Einleitung

„Der Private Banking-Markt in Deutschland ist attraktiv“ (Börsen-Zeitung, 03. Januar 2004), „Superreiche im Fokus des Private Banking“ (Welt am Sonntag, 24. Oktober 2004), „Buhlen um reiche Kunden – Der Wettbewerb auf dem Private Banking Markt wächst“ (Süddeutsche Zeitung, 06. Mai 2006), „So angelt man sich einen Millionär – Banken kämpfen mit allen Mitteln um vermögende Privatkunden[...]“ (Süddeutsche Zeitung, 17. März 2007). Dies sind nur einige Beispiele aus zahlreichen Schlagzeilen der deutschen Finanzpresse zum Thema Private Banking, die auf ein spezialisiertes, attraktives Marktsegment hin deuten. Nicht nur in der Presse, sondern auch unter Banken und unabhängigen Vermögensdienstleistern hat der Stellenwert des Private Banking in den vergangenen Jahren stark zugenommen. So weist z.B. der Private Banking Survey von McKinsey & Company, Inc. (2006) eine über die Zeit stabile Gewinnmarge von etwa 35 Basispunkten aus – ein doppelt so hohes Wachstum wie für das Retail Banking. Zwar hat auch in diesem Segment die Finanzkrise ab dem Jahr 2007 für Profitabilitätseinbrüche gesorgt und die Anforderungen für Anbieter erhöht, dennoch ist der Markt bis heute stark umworben. Es scheint also Grund genug zu geben, diesen Markt genauer zu verstehen. Dieses Ziel werden wir in diesem Kapitel verfolgen.

Es stellt sich dabei die Frage, um was für einen Markt es sich im Private Banking genau handelt. Offenbar geht es um ein Dienstleistungsangebot für vermögende Privatkunden, die häufig auch „High Net Worth Individuals“ (HNWI) genannt werden. Aber ab wann ist ein vermögender Privatkunde für einen Anbieter wirklich interessant und welche Anforderungen sind zu erfüllen? Wie schaffen es Anbieter, gewinnbringend auf dem Markt zu agieren?

Erstaunlicherweise können wir hierzu nur sehr eingeschränkt auf akademische Grundlagen zurückgreifen, denn trotz der gestiegenen Relevanz unter Praktikern hat das Thema in der finanzwirtschaftlichen Literatur bisher wenig Beachtung gefunden. Eine umfangreiche Studie zum Private Banking-Markt für deutsche Kunden aus Anbietersicht wurde 2007 am Center of Private Banking an der WHU-Otto Beisheim School of Management von Benjamin Meiers und Christian Schilling durchgeführt. Insgesamt wurden 59 Vertreter von Großbanken, Privatbankiers, öffentlichen und genossenschaftlichen Anbietern sowie von unabhängigen Vermögensverwaltern aus Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz in ein- bis dreistündigen Interviews befragt. Somit konnte ein fundiertes Bild über die in diesem Kapitel behandelten Themenkomplexe gewonnen werden. Diese Untersuchung stellt mit einer Abdeckung von etwa 2/3 des verwalteten Vermögens des relevanten Marktes die umfangreichste dieser Art dar. Wir werden daher im Verlauf dieses Kapitels verstärkt hierauf zurückgreifen. Nach einer Einordnung des Private Banking im Kontext weiterer Dienstleistungen für Privatkunden werden wir den relevanten Markt zunächst anhand bestimmter Charakteristika auf der Kundenseite beschreiben und anschließend die Geschäftsmodelle auf der Anbieterseite und deren Relevanz im Markt betrachten. Abschließend geben wir einen Ausblick auf die mögliche Entwicklung im Private Banking-Markt für deutsche Kunden.

1.2Erste Eingrenzung von Private Banking Dienstleistungen

Sowohl in der Praxis als auch in der Literatur ist die Belegung des Begriffs Private Banking sehr uneinheitlich. Bevor wir in den nachfolgenden Abschnitten Nachfrage- und Angebotsseite genauer kennen lernen werden, möchten wir diesen Abschnitt nutzen, um den für uns relevanten Begriff des Private Banking gegenüber anderen Dienstleistungen für Privatkunden abzugrenzen. Betrachten wir zur Veranschaulichung zunächst die folgende Situation:

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Jan Richter wird vermögend

Jan Richter hat in den letzten Monaten großes Glück gehabt. Zum einen wurde aus dem Ackerland, das er bereits als kleiner Junge von seinem Großvater geerbt hatte, nach einem Beschluss der Gemeinde Klees wertvolles Bauland. Zum anderen hat er in der Fernsehshow „Wer wird reich?“ durch sein umfangreiches Allgemeinwissen 1 Mio. EUR gewonnen. Innerhalb weniger Wochen ist er so von einem wenig vermögenden Privatmann zum Millionär geworden. Zusammen mit dem geschätzten Wert der Baugrundstücke verfügt er über ein Vermögen von ca. 1,6 Mio. EUR. Seine geringen Ersparnisse hat er bisher bei der örtlichen Bürgerbank angelegt. Aufgrund der neuen Vermögenssituation sucht er das Gespräch mit seinem Kundenberater. Dieser gibt ihm zu verstehen, dass er auf Dauer für einen solchen Vermögensumfang persönlich und mit dem Dienstleistungsangebot der Bürgerbank nicht mehr zur Verfügung stehen könne. Die Bürgerbank in Klees sei nur eine kleine auf Retail Banking spezialisierte Filiale. Eine bessere Betreuung könne ihm aus der Zentrale in dem nur 20 km entfernten Frankfurt angeboten werden. Hier gebe es sogar eine eigene Private Banking Abteilung, Dienstleistungen aus den Bereichen Private Wealth-Management und Family Office Dienstleistungen würden auch zur Verfügung stehen. Jan Richter ist verwirrt. Er hatte sich bisher nicht wirklich um seine Bankgeschäfte gekümmert, da sich diese auf monatliche Sparraten und einige Daueraufträge beschränkten. Die genannten Begriffe hat er schon irgendwo einmal gehört, aber er versteht gar nicht, was sich dahinter verbirgt. Er begreift jedoch, dass er sich in Zukunft intensiver damit auseinandersetzen muss und möchte nun mehr über mögliche Dienstleistungen verstehen.

Die hier genannten Begriffe „Retail Banking“, „Private Wealth-Management“ und „Family Office“ tauchen in der Tat häufig zur Abgrenzung oder in Verbindung mit der Erklärung der Dienstleistungen im Private Banking auf. Wir werden diese Bereiche in Anlehnung an die in Meiers/Schilling (2007) verwendeten Definitionen beschreiben. Diese wurden anhand einer umfassenden Zusammenführung unterschiedlicher Beschreibungen aus Praxis und Literatur abgeleitet.

Der noch am geläufigsten und einheitlichsten verwendete Begriff des Retail Banking ist dabei vom Private Banking deutlich abzugrenzen. Dies ist zunächst wesentlich durch die zugrunde liegenden Zielkunden und dem daraus folgenden Dienstleistungsangebot zu begründen.

Nachfrager des Retail Banking sind nicht bis mäßig vermögende Kunden. Die Geschäftsmodelle in diesem Kundensegment sind durch die Abhängigkeit von großen Mengen, einheitlichen Produkten und Produktionsansätzen sowie einem hohen Grad an Standardisierung geprägt.

Alle genannten Merkmale gelten dagegen in dieser Form nicht für das Private Banking: Wie bereits erwähnt geht es hier bei den Kunden um vermögende Privatkunden. Wir werden später noch genauer kennen lernen, welche Vermögenskriterien hier zugrunde gelegt werden können. Vorläufig verwenden wir jedoch analog Meiers/Schilling (2007) die folgende Definition:

Kunden des Private Banking sind i.d.R. Privatkunden mit einem liquiden Mindestvermögen und einem Mindestanlagevolumen von 275 000 EUR und werden auch High Net Worth Individuals (HNWIs) genannt.

Neben der vermögensorientierten Abgrenzung der Zielkunden unterscheidet sich Private Banking vom Retail Banking aber auch in weiteren Dimensionen, die hieraus und aus Profitabilitätsüberlegungen der Anbieter resultieren. Wesentlich ist vor allem auch der Charakter der Dienstleistungen. Es ist einleuchtend, dass ein auf Massengeschäft ausgerichtetes, hoch standardisiertes Dienstleistungsangebot einem vermögenden Privatkunden nicht gerecht werden kann. Im Kern der Dienstleistung steht im Private Banking daher nicht der Absatz von Produkten, sondern ein umfassendes Beratungskonzept, das sich aus den speziellen Bedürfnissen eines jeden Kunden ableitet. Dies führt zu besonderen Dienstleistungen und schließlich auch zu einer speziellen Beziehung zwischen Kunde und Dienstleister.

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Private Banking umfasst kundenorientierte, bedürfniszentrierte, beratungsintensive, individuelle und qualitativ hochwertige Dienstleistungen für die vermögende Privatklientel. Kerndienstleistungen des Private Banking sind die Vermögensverwaltung und die Anlageberatung. Private Banking zeichnet sich durch eine persönliche, langfristige, auf Vertrauen und Diskretion basierende Beziehung zwischen Anbieter und Kunden aus.

Wir werden zunächst dieses Verständnis von Private Banking zugrunde legen und verschiedene Aspekte im Verlauf dieses Kapitels noch genauer beleuchten. Dies wird uns in Abschnitt 1.6 in die Lage versetzen, eine spezifischere Beschreibung zu formulieren.

Als weitere mögliche Arten der Betreuung wurden in unserem Beispiel Private Wealth-Management und Family Offices genannt. Wie grenzen sich nun diese gegenüber dem Private Banking ab?

Häufig werden in Literatur und Praxis die Begriffe Private Banking und Private Wealth-Management synonym verwendet oder nicht klar voneinander abgegrenzt. In den letzten Jahren wurde hiervon insbesondere in der Literatur jedoch Abstand genommen. So kann Private Wealth-Management z.B. dadurch differenziert bewertet werden, dass hier auch über das Finanzvermögen hinausgehende Vermögensbestandteile wie z.B. Human- und Sozialvermögen berücksichtigt werden und dass über Verwaltung und Anlage des Vermögens hinausgehende Dienstleistungen angeboten werden können (vgl. Schaubach (2003)). Diese können (müssen aber nicht zwingend) auch im Rahmen des Private Banking angeboten werden.

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Private Wealth-Management spezifiziert den gesamten Prozess des Planens, Realisierens und Kontrollierens des Gesamtvermögens eines Vermögensinhabers. In dieser Hinsicht kann Private Wealth-Management eine spezielle, im Rahmen des Private Banking angebotene Dienstleistung darstellen (vgl. u.a. Schaubach (2003)).

Bei Family Offices wird das Dienstleistungsangebot schließlich noch mehr ausgeweitet. Anstelle eines einzelnen Vermögensinhabers wird als Kunde eine ganze Familie betrachtet und die Form der Dienstleistung ist noch stärker generationenübergreifend ausgerichtet. Ein Family Office kann als organisatorische Einheit betrachtet werden, die die Geschäfte für und im Auftrag der Familie erledigt (vgl. Schaubach (2003)). Auch solche Dienstleistungen können innerhalb des Private Banking speziell angeboten werden, dann aber meist nur für den liquiden Teil des Vermögens.

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Family Offices übernehmen durch Einbeziehung von Experten eine ganzheitliche Planung und Kontrolle des Finanz-, Human- und Sozialvermögens von Familien mit komplexer Besitzstruktur. Private Banking-Dienstleister können dabei im Rahmen ihrer Kernaktivität Family Offices für Teile des liquiden Anlagevermögens als Kunden haben oder als fremdgeführte Family Offices auftreten und die Koordination ganzer Family Offices über ihre Private Wealth Management-Aktivitäten im Auftrag der Familie übernehmen (vgl. u.a. Schaubach (2003)).

Der Privatkundenmarkt kann nach diesem Verständnis grundsätzlich also in Retail Banking und Private Banking unterteilt werden. Anbieter, die sowohl den Retail als auch den Private Banking-Markt adressieren, haben häufig noch ein mittleres Segment für Kunden eingeführt, welche aufgrund ihrer Bedürfnisstruktur optimalerweise nicht mehr im Retail Banking betreut werden, allerdings (noch) nicht den Kriterien für eine Betreuung im Private Banking entsprechen. Dieser Bereich wird häufig als Affluent Banking bezeichnet und enthält so genannte Potenzial- oder Aufbaukundschaft. Private Wealth-Management und Family Office sind nach Schaubach (2003) originäre Aufgaben des Vermögensinhabers bzw. der Familie, können jedoch an Dritte (gewöhnlich an Private Banking-Anbieter oder spezialisierte Anbieter) delegiert werden und somit Dienstleistungen darstellen, die innerhalb des Private Banking angeboten werden. Da bei diesen Dienstleistungen jedoch gewöhnlich nochmals ein Mehr an Individualität erforderlich ist, richten sich diese Anbieter vor allem an Kunden im oberen Vermögensbereich des Private Banking. Abbildung 1.1 fasst dieses Verständnis zusammen.

Abgrenzung der Bereiche im Privatkundenmarkt

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Abbildung 1.1

Quelle: Meiers/Schilling, 2007

Abschließend wollen wir noch auf einen weiteren Aspekt in der Beschreibung des betrachteten Private Banking-Marktes hinweisen. Private Banking ist aus Kundensicht nicht nur auf das gemäß dem offiziellen Wohnsitz zutreffende Heimatland beschränkt. Dienstleistungen können (z.B. aus steuerlichen Gründen) prinzipiell auch im Ausland in Anspruch genommen werden. Dies führt zu einer Unterscheidung des Private Banking in Onshore- und Offshore-Geschäft:

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Werden Dienstleistungen des Private Banking durch den Kunden im Heimatland in Anspruch genommen, so bezeichnet man dieses als Onshore-Geschäft. Im Ausland bezogene Dienstleistungen bezeichnet man dagegen als Offshore-Geschäft.

Der Anteil von Onshore- und Offshore-Kunden kann wesentlichen Einfluss auf das Geschäftsmodell eines Anbieters haben. Deutschlands Rolle als Offshore-Zentrum ist nur marginal, daher wird das Geschäftsmodell deutscher Anbieter durch die Anforderungen von Onshore-Kunden dominiert. Als Offshore-Zentren für deutsche Kunden sind insbesondere Luxemburg, Österreich und die Schweiz aufgrund der geografischen Nähe von Bedeutung. Diese Länder nehmen wir daher in die weitere Betrachtung auf.

Betrachten wir abschließend, wie der Kunde in unserem Beispiel nach genauerer Kenntnis die Situation abwägen könnte:

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Jan Richter entscheidet sich für das Kerngeschäft des Private Banking

Jan Richter hat sich inzwischen eingehend über die verschiedenen Formen des Dienstleistungsangebots für Privatkunden informiert. Nun leuchtet ihm auch ein, warum eine weitere Betreuung durch die auf Retail Banking spezialisierte Filiale der Bürgerbank in Klees nicht sinnvoll ist. Er freut sich darauf, das Angebot der Vermögensverwaltung und Anlageberatung im Private Banking kennen zu lernen. Dabei möchte er dies zunächst auf sein Finanzvermögen begrenzen, nach Leistungen des Private Wealth-Management möchte er daher nicht gezielt suchen. Da er noch keine eigene Familie gegründet hat und er das einzige Kind nicht vermögender Eltern ist, kommt für ihn auch ein Family Office nicht infrage. Für ihn ist alles noch sehr neu, daher möchte er sein Vermögen zunächst nicht im Ausland anlegen, sondern bevorzugt eine umfassende Betreuung vor Ort.

Damit ist Jan Richter zu einem deutschen Onshore Private Banking-Kunden geworden. In welchem Kreis er sich als Kunde nun bewegt und zwischen welchen Geschäftsmodellen er auf Anbieterseite eine Auswahl hat, werden wir in den nächsten Abschnitten kennen lernen.

1.3Charakteristika der Nachfragerseite im Private Banking

Nachdem wir nun Private Banking im Privatkundenmarkt einordnen können, werden wir in diesem Abschnitt genauer verstehen, welche speziellen Eigenschaften der Nachfrageseite im Markt für deutsche Kunden die Geschäftsmodelle der Anbieter besonders beeinflussen. Betrachten wir auch hier zur Veranschaulichung wieder eine beispielhafte Situation.

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First Retailer denkt über eine Ausweitung der Strategie auf Private Banking nach

First Retailer, eine der marktführenden Banken, die sich auf nicht-vermögende Privatkunden spezialisiert haben, entwirft ihre strategische Ausrichtung für die nächsten Jahre. Sie hat die Entwicklung des Private Banking-Marktes für deutsche Kunden in den letzten Jahren intensiv verfolgt und möchte nun genauer verstehen, welche Chancen bestehen, an diesem attraktiven Markt profitabel zu partizipieren. Eine Ausweitung des Dienstleistungsangebots auf dieses Marktsegment durch Gründung einer eigenen Private Banking-Tochter ist durchaus vorstellbar. Jörg Weitblick, Leiter der strategischen Abteilung der First Retailer, erhält den Auftrag des Vorstandes, zunächst eine Analyse der Nachfrageseite durchzuführen. Zwar liegt ein grobes Verständnis der Gegebenheiten aus der Berichterstattung der letzten Jahre vor, eine detaillierte Kenntnis, die im Rahmen einer strategischen Entscheidung erforderlich wäre, fehlt aber noch. Ihm ist die besondere Herausforderung aufgrund der hohen Intransparenz in diesem Marktsegment bewusst. Dies wird ihm umso klarer, als er versucht, die Vermögensverhältnisse als wesentliche Grundlage der Marktgröße zu erfassen. Er muss erkennen, dass hierüber keine aktuelle, detaillierte und verlässliche Erhebung existiert. Er entscheidet sich daher, einen Berater zu konsultieren, der ihm bei der schwierigen Aufgabe behilflich sein kann und sucht Margot Weise auf.

Seitdem das Bundesverfassungsgericht die Vermögenssteuer im Jahre 1995 für verfassungswidrig erklärte, entfiel auch die juristische Grundlage der offiziellen Datenerhebung hinsichtlich der Vermögenssituation in Deutschland. Seitdem durchgeführte Studien sind bezüglich der Validität der erhobenen Daten schwierig einzuschätzen: Der Private Banking-Markt ist sehr intransparent, so dass eine Datenerhebung meist nur auf Basis einer kleineren Stichprobe, ergänzt um spezifische Annahmen, durchgeführt werden kann. Außerdem liegt den verschiedenen Studien zum Teil ein unterschiedliches Verständnis des relevanten Marktsegments zugrunde. Trotz dieser Unterschiede ist jedoch den wesentlichen Untersuchungen gemein, dass der Markt für deutsche Kunden aufgrund der Vermögensstruktur als attraktiv einzustufen ist. Zudem lässt das vorhandene Datenmaterial bei allen Schwächen dennoch ein gutes Verständnis der Gesamtdimensionierung des Marktes sowie der relativen Einordnung im europäischen oder weltweiten Vergleich zu.

Der deutsche Private Banking Markt umfasst nach Capgemini/Merrill Lynch (2010) im Jahr 2009 861 000 HNWI. Dabei wird hier ein investierbares Vermögen von 1 Million US$ als Kriterium zur Abgrenzung der HNWI verwendet. Damit ist Deutschland nach den USA und Japan der drittgrößte Private Banking Markt weltweit und macht knapp 29% des europäischen Marktes aus.

Ein weiterer Aspekt ist bei der Bewertung der bisher genannten Daten zu beachten: Die dargestellten Studien beziehen sich lediglich auf das liquide Vermögen. Für die Beurteilung des Marktes ist jedoch auch der Umfang des Gesamtvermögens interessant, der deutlich über dem des liquiden Vermögens liegt. Rudolf (2007) nennt als wichtige illiquide Anlageformen für HNWIs z.B. Beteiligungen an Familienunternehmen oder Kunst. Tilmes (2002) untersucht die Vermögenssituation in Deutschland anhand der Vermögenssteuerstatistik aus dem Jahre 1994: 49,1% des Vermögens stellte demnach im Jahre 1994 illiquides Grundvermögen z. B. in Form von Eigenheimen, gewerblichen Objekten oder unbebauten Grundstücken dar. Zwar kann nicht genau spezifiziert werden, wie sich dieser Anteil seither entwickelt hat. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass das Grundvermögen immer noch einen signifikanten Anteil am Gesamtvermögen ausmacht.

Neben den aktuellen Vermögensverhältnissen ist auch die Vermögensentwicklung von Bedeutung. In den kommenden Jahren können Veränderungen sowohl bzgl. der absoluten Marktgröße als auch der Vermögensstruktur erwartet werden. So weist Boston Consulting Group (2010) ein geschätztes Wachstum von 5,8% von 2009 bis 2014 für den Private Banking Markt weltweit aus.

Wie ist dieses Wachstum zu erklären? Zum einen kann erwartet werden, dass bei gleich bleibend hoher Sparquote auch die Vermögen der privaten